Schicks Erfolg, Özdemirs Schlamassel

Es ist vielleicht ein wenig gewagt, zu behaupten, dass Cem Özdemir ein Opfer der Finanzkrise ist. Aber das Scheitern des designierten Grünen-Chefs bei seinem Versuch, für den Bundestag nominiert zu werden, hängt stark mit dem Erfolg eines anderen Grünen zusammen: mit dem Finanzpolitiker Gerhard Schick, der Baden-Württembergs Grüne mit einer Rede zur Krise des Kapitalismus begeisterte.

Der Reihe nach: Baden-Württembergs Grüne wollen in Schwäbisch Gmünd entscheiden, wer aussichtsreiche Plätze auf der Liste für die Bundestagswahl bekommt. Der Parteitag läuft eher bieder ab, bis Gerhard Schick über die Finanzkrise spricht. Danach kommen spontane Begeisterungsrufe. Schick kandidiert für Platz vier der Liste. Er gewinnt klar gegen den Realo Alexander Bonde. Der sieht sich gezwungen, später noch einmal anzutreten – gegen Özdemir, den er besiegt.

Gerhard Schick ist seit 2005 im Bundestag. Seit 2007 ist er finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. Während er im Zwiegespräch sachlich, konzentriert und eher zurückhaltend wirkt, wandelt er sich auf dem Podium völlig. Er spricht frei, trotz sanfter Stimme energisch und liest nur Stichpunkte ab. Komplizierte Finanzprobleme erscheinen auf einmal als urgrünes Thema: „Wir sind bei der Atomkraft kampagnenfähig. Ich will, dass unsere Partei beim Thema Finanzmärkte kampagnenfähig wird, und ich hoffe, ihr macht da mit“, schmettert er.

Obwohl er es akribisch vermeidet, dem linken Lager der Grünen zugeordnet zu werden, hat er hier eindeutig seine Anhänger: Er will mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger und einen höheren Spitzensteuersatz.

Schick balanciert zwischen den Flügeln der Grünen. Mit seiner Position zum Afghanistaneinsatz bewegt er sich auf den Realoflügel zu: Er will sich bei der Abstimmung um eine Verlängerung des Einsatzes zwar enthalten, ist aber eindeutig gegen einen Abzug der Bundeswehr. Er fordert stattdessen mehr Wiederaufbau. Sein Kerngebiet allerdings bleibt die Volkswirtschaft: Geboren im baden-württembergischen Hechingen, hat Schick später in Bamberg, Freiburg und Madrid studiert, schließlich promoviert und vor seinem Einzug in den Bundestag als Volkswirt bei der Stiftung Marktwirtschaft in Berlin und der Bertelsmann-Stiftung gearbeitet. Seine politische Hauptgegnerin ist die FDP: Die sei jahrelang für Deregulierung der Märkte gewesen.

Einzig bei der schwul-lesbischen Politik dürfte er mit den Liberalen übereinstimmen. Schick lebt mit seinem Partner in Berlin und Mannheim und setzt sich dort für eine Neuauflage des Christopher Street Day ein. INGO ARZT

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