deutschlands irakpolitik
: Die große Muffe

Gegenwärtig nagt in Deutschland Angst an fest gefügten Überzeugungen. Hilfe, wenn es hart auf hart kommt, wenn die USA mit dem Angriff auf den Irak Ernst machen, dann stehen wir mit unserem Nein! allein. Oder noch schlimmer: eingereiht in die zwielichtige Gesellschaft der Schurkenmächte Kuba und Libyen – so wie es Donald Rumsfeld getan hat. Ist es da nicht besser, in Abwandlung einer alten realsozialistischen Maxime, lieber gemeinsam mit den USA zu irren als allein Recht zu haben? Und hatte nicht Martin Luther, als er vor dem Wormser Reichstag sein „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ ausrief, wenigstens die Unterstützung von ein paar Reichsfürsten, während sich der Bundeskanzler nur des Zuspruchs religiöser Oberhirten sicher sein kann?

Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER

Schon verkündet Wolfgang Schäuble, das Plädoyer des Staatsanwalts Colin Powell vor dem Sicherheitsrat habe ihn restlos überzeugt, weshalb die Bundesegierung sich von ihrer sturen Position sofort abseilen müsse. Schließlich sei jetzt erwiesen, dass Saddam Hussein sich schwerwiegender Verletzungen der UNO-Resolution 1441 schuldig gemacht habe. Kurz: Einem Angriff auf den Irak stehe also nichts mehr im Wege.

Gegenüber den Kriegsplänen der amerikanischen Regierung hat Rot-Grün stets geltend gemacht, eine Invasion des Irak beschwöre unkalkulierbare Sicherheitsrisiken für die gesamte nahöstliche Region herauf. Sie sei darüber hinaus mit dem Völkerrecht unvereinbar. Es handelt sich also nicht um die Verkündung abstrakter Prinzipien, sondern um eine ebenso konkrete wie richtige Analyse. Und die Argumente der Regierung betreffen nicht nur den Einzelfall Irak, sondern die rechtliche und politische Ordnung der Staatenwelt: US-Welthegemonie oder vielstimmiges Konzert, Monozentrismus oder Polyzentrismus?

Mit dieser Position steht die Bundesregierung keineswegs allein da. Aber sie vertritt sie nicht offensiv, versteckt sie in Nebensätzen, verweist schamhaft auf ihre „grundsätzliche“ Haltung, ganz so, als hindere sie nur ein unverständliches Gelübde daran, dem Kreuzzug Bushs zu folgen. Die Tatsache, dass eine überwältigende Mehrheit der europäischen Bevölkerung (von anderen Kontinenten zu schweigen) bis jetzt den Krieg ablehnt, stärkt ihr nicht den Rücken. Sie duckt sich nach jedem grobschlächtigen Angriff, nach jeder Intrige, die die Spaltung der Europäischen Union zum Ziel hat. Es ist diese Verzagtheit, die auf die Menschen abfärbt.