Im Angesicht des Krieges

Politiker und Muslime diskutierten im Lagerhaus über das, was wird und keiner will

„Der Krieg wird kommen.“ Das war die klarste, aber auch die bitterste Aussage des gestrigen Nachmittags im Lagerhaus. „Der Krieg wird kommen“, sagte Abubekir Saydam vom Internationalen Verein für Menschenrechte der Kurden, „das ist unsere Überzeugung. Die Verlierer werden an erster Stelle die Kurden sein.“ Denn sie haben den Irak wie die Türkei gegen sich. Den Irak, „weil sie an der Seite der USA Stellung beziehen, es bleibt nichts anderes übrig.“ Die Türkei, weil die versuchen werde, die inzwischen gewachsenen kurdischen Strukturen im Grenzgebiet aufs Neue zu zerstören.

Damit blieb Saydam der pointierteste, weil unmittelbar vom Krieg betroffene Vertreter der Veranstaltung, die „Krieg im Irak – Feindbild Saddam oder Islam“ lautete. Auf dem Podium außer dem Kurden: Mehmet Kilinc, in eigenen Worten „Hassan Normalverbraucher“, Erhard Franz vom Hamburger Orient-Institut und die Bremer Politiker Hermann Kleen (SPD), Matthias Güldner (Grüne) und Michael Glintenkamp (CDU).

Dass der Islam im Kriegsfall instrumentalisiert werde – von der westlichen Welt wie von den Muslimen – war die Befürchtung von Mehmet Kilinc. Er zitierte Stimmen aus seiner Gemeinde contra USA: „Denen geht’s doch auch darum, die Muslime niederzumachen, Zwiespalt zu säen.“ Kilincs Erkenntnis: „Dieser Krieg speist sich nicht aus dem Feindbild Islam, aber im weiteren Verlauf könnte es dazu hochstilisiert werden. Das ist die eigentliche Gefahr.“

Zumindest einige hochrangige Politiker der USA aber seien längst da, wo Kilinc den Rest der Welt nicht hinwünscht. „Leute wie Rumsfeld und Wolfowitz haben ihre Sozialisierung im Kalten Krieg erhalten. Sie brauchten ein klares Feindbild“, so Orientforscher Erhard Franz. Zusammen mit Bush junior, der nach dem 11. September erst zu seiner wahren Aufgabe gefunden habe („a man found his mission“) und zu dessen engstem Kreis moderat eingestellte Menschen wie Außenminister Powell längst nicht mehr gehörten, ergebe das eine explosive Mischung. „Ultras“, nannte SPD-Mann Kleen Rumsfeld und Co, „hochgefährliche Leute. An der Seite solcher Leute haben wir nicht zu stehen.“ Bremen möge kein Kriegsgerät über Bremerhaven verschiffen.

Keiner will den Krieg, das war auch schon der kleinste gemeinsame Nenner der Bremer Politiker. Durch die Rasterfahndung, feuerte der Grüne Güldner gen CDU, seien die Menschen nur verunsichert worden, gebracht habe sie nichts. Ansonsten sei man hier viel stärker auf Verständigungskurs als im Rest der Republik – das sei in Gefahr: „Kriegszeiten sind keine Zeiten des Aufeinanderzugehens“, so Güldner, auch bei uns nicht.

CDU-Mann Glintenkamp – „auch ich bin gegen den Krieg“ – blaffte Richtung SPD-Kleen, dessen Statement sei doch „recht unehrlich“: „Was wäre denn, wenn wir in Bremen eine amerikanische Kaserne hätten?“

Der bleibende Eindruck des Nachmittags: Egal, ob die Bremer Politiker wollen oder nicht – „der Krieg wird kommen.“ sgi