Rot/Grün: vom gleichen Holz

Was im Bund verendet, müsste eigentlich kraftvoll auferstehen: Ein rot-grünes Reformbündnis. Bremen ist dafür jedoch nicht der richtige Ort. In einer Großen Koalition aber sieht die SPD alt aus.

Die Bremer SPD ist in der großen Koalition eine tote Partei geworden

von Horst-Werner Franke

Dass da ein Hurrikan über die SPD hinweggefegt ist, hat auch der letzte Genosse begriffen. Wie aber die Schäden zu reparieren sind, weiß keiner, auch der Kanzler nicht. Wir werden vermutlich in den nächsten Wochen ein weiteres Zerbröseln der Berliner Restmacht erleben. Zwar wird die Opposition die Regierung nicht stürzen können, weil sie derzeit kein konstruktives Misstrauensvotum zustande bringt, schließlich müsste sie imstande sein, sich auf einen Kanzlerkandidaten zu einigen – und die Grünen müssten reif sein für die Flucht aus dieser Koalition. Also wird die Agonie weiterdauern. Zu welchem Zweck und Ende, weiß derzeit niemand.

Alles wartet ab, weil doch jetzt eine Wahlpause in den Ländern eintritt. Dass in diesem Jahr Bremen und Bayern wählen, zählt anscheinend nicht. Die Ergebnisse stehen scheint’s fest. In Bayern und Bremen wird bestätigt, was bisher gilt: CSU und Große Koalition. Lohnt es da, über ein eventuelles Bündnis Rot-Grün in Bremen nachzudenken? Kann in der Hansestadt ein Bündnis neu installiert werden, das im Bund zerfasert und die Wähler massenhaft in die Flucht treibt? Der Frage nachzugehen, ist natürlich ein Sandkastenspiel. Und die Antwort hängt sehr von der politischen Befindlichkeit des jeweiligen Betrachters ab. Setzen wir aber den Fall, nach der Bürgerschaftswahl gäbe es rechnerische die Möglichkeit für eine solche Koalition von Rot und Grün. Welchen Rat sollen wir den Genossen geben, auch wenn wir wissen, dass es ungebetener Rat ist? Dass Grün sich einer solchen Koalition nicht verweigern würde versteht sich. Aber was ist mit der SPD?

Wenn Berlin erfolgreich wäre, hätte in vielen Bremer SPD-Köpfen die Koalition mit den Grünen herumgespukt. Ein Landesparteitag hätte nach der Wahl vermutlich eine heftige Auseinandersetzung um die Koalitionsfrage geführt. Aber jetzt, wo Rot-Grün als aussterbende Art unter Bestandsschutz gestellt werden müsste – soll Bremen ein Zeichen setzen? Wofür denn? Wahrscheinlich spüren es viele Genossinnen und Genossen, wie das Bündnis mit der CDU ihre Partei in die große Lähme geführt hat. Die Unterbezirksparteitage, die Landesparteitage sind Gespensterreigen im Vergleich zu den lebendigen und aufregenden Parteitagen der Vergangenheit. Von den Ortsvereinen geht keine Initiative aus, die öffentlich wirksam wären. Was da gelegentlich ein Unterbezirksvorsitzender oder ein Ortsverein als abweichende Meinung äußert, kann vom Rathaus getrost übergangen werden. Eine erdrückende Parlamentsmehrheit lässt jeden Abweichler zum Exoten werden, der gefahrlos übersehen werden kann. Die Bremer SPD ist in der Großen Koalition eine tote Partei geworden.

Auch die Bürgerschaftsfraktion ist Abbild dieser Lethargie. Wenn die Ortsvereine austrocknen, muss sich das notwendigerweise in der Fraktion widerspiegeln, die sich ja aus den Ortsvereinen speist. Auch hier sind die Helden müde geworden, eine muntere Mannschaft ist das sicher nicht, die beim nächsten Mal in das Parlament einzieht. Ein redlicher und auch kluger Fraktionsvorsitzender müht sich nach Kräften, wo es geht, Flagge zu zeigen, aber viel Profil bringt das am Ende nicht.

Nun dürfen wir nicht übersehen, dass es in einem bankrotten Gemeinwesen sehr schwer ist, Profil zu zeigen und Politik aus Partei und Parlament zu gestalten. Wo nichts mehr zu verteilen ist, ist auch die Politik zu Ende. Und machen wir uns nichts vor, nach 2004 wird es für Bremen entsetzlich werden. Wenn die Bundeszahlung fortfällt und auch das Notwendigste kaum mehr läuft. Was sollen da Partei und Fraktion noch groß beschließen? Ein neues Bündnis von Rot und Grün in Bremen würde schon Sinn machen, auch und gerade angesichts des Niedergangs der Berliner Koalition. Wenn nicht die Bleierne Zeit der schwarzen Übermacht die Bundesrepublik auf lange Zeit ersticken soll, müssen Widerstandsnester entstehen, von denen aus ein neuer Geist und eine rotgrüne Aufbruchstimmung ausgeht.

Rot und Grün stammen aus dem gleichen Holz, sie sind natürliche Partner, schon immer gewesen. Ich habe immer Grün als eine Abspaltung von Rot angesehen, mit der die SPD das Bündnis zu suchen hat. In Bildungspolitik, in der Kulturpolitik, in der Sozialpolitik, in der Justizpolitik, aber auch in der Innenpolitik steht Grün der SPD näher als die CDU. Selbstredend gilt das besonders für die Umweltpolitik. Sogar in der Wirtschaftspolitik sehe ich keine großen Diskrepanzen, seit Grün den Mittelstand entdeckt hat. Also, Gemeinsamkeiten für ein Bündnis gäbe es genug. Es wird aber trotzdem nicht dazu kommen. Die Bündnispartner müssten nämlich kraftvolle, dynamische Parteien sein, die sich mit Wucht artikulieren können und nach harten Sachdebatten zu kraftvoller Einheit finden. Blutleere Parteien können keine Zeichen setzen. Bremens SPD wird sich weiter ängstlich unter den Schutzmantel von Henning Scherf bergen, der zwar kein großer Gestalter, aber trotzdem ein großer Bürgermeister ist. Was früher als Ressortchef seine Schwäche war, ist jetzt seine Stärke. Er kann exzellent moderieren, versöhnen, ausgleichen, umarmen. Gegen den hochgeschätzten Spitzenkandidaten, der das stärkste Pfund im Wahlkampf sein wird, schließt am Ende keiner ein Gegenbündnis mit Grün. Die Querulanten, die es trotzdem versuchen werden, haben bei weitem keine Mehrheit.

Querulieren reicht nämlich nicht. Und die Große Koalition ist diesem Bürgermeister auf den Leib geschnitten. Was sollte der mit einem Rotgrünen Senat anfangen. Wie sollte der aus dem kleinen und maroden Bremen das neue Zeichen im Bund für die Zukunft von Rotgrün setzen. Nein, so dringend die Republik eine Renaissance von Rotgrün auch braucht, von Bremen kann sie nicht ausgehen. Zu sehr haben finanzielle Not und Große Koalition die politischen Strukturen erodiert. Wie es am Ende der nächsten Legislaturperiode dann weitergehen soll, weiß niemand. Aber vielleicht gewinnt ja die SPD die absolute Mehrheit. Was macht dann Henning Scherf?