Der Modernisierer mit Ultimatum

Leverkusens Trainer Klaus Toppmöller hat Qualitäten. Fraglich nur, ob er mit diesen im Abstiegskampf seinen Job rettet

Bild macht sich Sorgen um Rainer Calmund. Abstiegsangst, vielleicht demnächst zweite Liga, DSF statt Sat.1. Steht der Manager des Fußballbundesligisten Bayer Leverkusen das alles durch? Wie kann man einen „Herzinfarkt“ (Bild) noch abwenden? Ganz klar: Der Trainer muss weg!

Heute, am 20. Spieltag, spielen neben Leverkusen (14. Tabellenplatz) noch acht Clubs definitiv gegen den Abstieg (Lautern, Gladbach, Hannover, Nürnberg, Wolfsburg, Bielefeld, Cottbus, Rostock). Die halbe Liga also. Und damit neun Trainer. Doch keiner muss so sehr um seinen Job kämpfen wie Klaus Toppmöller (51) in Leverkusen. Der amtierende „Trainer des Jahres 2002“ hat entweder ein „Verfallsdatum“ (Kicker) oder noch eine „Galgenfrist“ (dpa) beziehungsweise keine mehr, weil „die Uhr abgelaufen ist“ (Welt) – so schnell geht das. Trotz des Einzugs ins DFB-Pokal-Halbfinale und unter die letzten 16 der Champions League. Doch jetzt ist Bundesliga. Und die nächste Niederlage – Toppmöllers letzte? Vermutet zumindest die Fachpresse. Zumal viele auf einmal wissen: Toppmöller hat doch nie einen Titel gewonnen! War ja schon bei 1. FC Saarbrücken, bei Waldhof Mannheim, bei Eintracht Frankfurt oder bei VfL Bochum – und hat dort nix gerissen. Ach ja, und jetzt bei Bayer Leverkusen, immer nur Zweiter – also: Verlierer.

Moment. Jenseits der aktuellen Frage, ob Toppmöller zu wenig Spiele gewinnt, ist es historisch betrachtet so: Toppmöller war einer der ersten und wichtigsten Modernisierer der Bundesliga, was zunächst außerhalb Bochums nur wenigen auffiel. In Leverkusen war er nicht der Initiator des Modernisierungsschubs, das war Christoph Daum. Aber er hat dessen Werk nach dem Missverständnis Berti Vogts fortgesetzt.

„Ich will den kreativen Fußball. Ich will nicht elf Nummern haben, die austauschbar sind“, sagte er in einem taz-Gespräch. Oder: „Ich will erfolgreich und zugleich schön spielen, denn ich bin auch Zuschauer.“ Was ihm gelungen ist in der vergangenen Saison: Vizemeister, Pokalendspiel, Einzug ins Finale der Champions League. Letzteres hat ganz Europa überrascht, das sich an die bloße Effizienz des FC Bayern München und des deutschen Fußballs überhaupt schon gewöhnt hatte. Okay, Toppmöller hatte gute Spieler, aber zusammengefügt hat er sie. Er hat ein Gespür dafür, welche Spieler seine Vorstellungen von modernem Fußball in die Mannschaft einbringen – dafür wählt er ausländische Spieler aus, die weniger konservativ seien als deutsche Spieler. Und er lebt vor, dass er selbst immer am „perfekten Fußball“ feilt. Toppmöller schreibt unentwegt Aufstellungen. Er gibt denn auch zu, dass er manchmal unter seinem Perfektionismus leide. Aber eine Alternative hat er nicht: „Ich habe studiert, ein Examen gemacht, aber, egal ob Bundesliga oder Alte Herren – Fußball ist das, was ich wirklich kann und wirklich will.“

Toppmöllers Qualitäten kennt natürlich auch Calmund. Er muss entscheiden, ob diese im Abstiegskampf überhaupt zum Tragen kommen. Präventiv hat das einzige Mitglied im Leverkusener Sicherheitsrat Toppmöller vor dem Pokalviertelfinale gegen Unterhaching ein Ultimatum gestellt und dieses für das Spiel gegen Bochum erneuert. Immerhin befindet sich der „XXL-Manager“ (Bild) im „Reich der Tränen“ (FAZ). Einen längeren Aufenthalt steht dort doch niemand durch. THILO KNOTT