Datenschacher saniert die Ministeriumskasse

Wiens Innenminister ermöglicht erweiterte Vermarktung von kostenpflichtigen Abfragen beim Melderegister

WIEN taz ■ Datenschacher im großen Stil wird in Österreich durch eine neue Verordnung des Innenministeriums ermöglicht. Die rückwirkend vom 1. Januar in Kraft gesetzte Verordnung sieht die Schaffung einer „Publicity Unit“ vor, die sich um die Vermarktung der im Zentralen Melderegister gespeicherten persönlichen Daten bemühen soll.

Datenschützer fürchten, dass dadurch dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet werden. „Es wird angestrebt, durch Serviceverbesserungen und begleitende Marketingstrategien die kostenpflichtigen Abfragen“ im Melderegister zu steigern. So heißt es wörtlich in der erst am vergangenen Donnerstag bekannt gewordenen Verordnung von Innnenminister Ernst Strasser.

Seit das elektronische Zentrale Melderegister, das sämtliche österreichische Meldedaten erfasst, vor knapp einem Jahr seinen Betrieb aufnahm, hat das Innenministerium durch rund 254.000 kostenpflichtige Abfragen 676.000 Euro eingenommen. In zwei Jahren sollen es 1,3 Millionen Abfragen sein. Kostenpflichtig ist der Zugriff für Unternehmen, die nachweisen, daß sie „regelmäßig Meldeauskünfte zur erwerbsmäßigen Geltendmachung oder Durchsetzung von Rechten oder Ansprüchen benötigen“. Dazu zählen beispielsweise Inkassobüros.

Interessant sind die Daten aber auch für gezielte Produktwerbung. Denn Zielgruppen können über Alter und Wohngegend leicht definiert werden. Im Übrigen kann zurückverfolgt werden, wer wo wie lange und mit wem gewohnt hat.

Hans Zeger, Leiter der kritischen „Arge Daten“ in Wien, machte die Probe aufs Exempel und rief bei einer Firma an, die ihm bereitwillig die Beschaffung von personenbezogenen Daten anbot, ohne auch nur die Frage nach seinen Motiven zu stellen. Er fürchtet, dass auf Grundlage der neuen Verordnung „Firmen mit Förderung des Innenministeriums zu Datenhändlern werden“. Unternehmen, die die Daten wirklich brauchen, so Zeger zur taz, würden die Abfragen schon jetzt machen. Wenn der Umsatz durch Werbung verfünffacht werden soll, so könne es nur darum gehen „neue Märkte zu schaffen.“

Im Innenministerium wird abgewiegelt. Bei dieser Verordnung gehe es nur darum, dass die Einnahmen aus den Auskünften den Betrieb des Melderegisters finanzieren und nicht ans Finanzministerium abgeführt werden müssen. Der Datenschutz werde dadurch nicht aufgeweicht. Dass Firmen, wie von Zeger befürchtet, regelmäßig aktualisierte „schwarze Listen“ von schlechten Zahlern erstellen, könne aber nicht verhindert werden, sagte Abteilungsleiter Walter Grosinger in der Tageszeitung Der Standard.

Zeger findet es im Übrigen höchst auffällig, dass die Verordnung am Datenschutzrat vorbeigeschleust wurde. Dieses im Bundeskanzleramt angesiedelte Gremium prüft Gesetzesvorschläge und Verordnungen, die den Datenschutz betreffen. Das vor einem Jahr verabschiedete Meldeevidenzgesetz ist äußerst vage formuliert und verlagert viele Details auf die Durchführungsverordnungen und gibt dem Innenminister freie Hand.

Hans Zeger vermutet, dass Minister Strasser den Windschatten der Koalitionsgespräche genutzt habe, um seine Pläne durchzudrücken. Aus anderen Ländern der EU sind dem Datenschutzexperten ähnliche Regelungen nicht bekannt: „In Deutschland wäre so etwas undenkbar.“

RALF LEONHARD