Schummelpapier als Basis für Kriegserklärung

Irakdossier der britischen Regierung zu weiten Teilen aus alten Quellen. Zitiertes Geheimdienstmaterial – Fehlanzeige

DUBLIN taz ■ Die britische Öffentlichkeit sollte mit einem Plagiat von der Notwendigkeit eines Krieges gegen den Irak überzeugt werden. Der unabhängige Fernsehsender „Channel 4“ berichtete am Donnerstag, dass das Dossier „Irak und seine Infrastruktur der Hintergehung, Täuschung und Einschüchterung“, das die britische Regierung am Montag vorgelegt hatte, zu weiten Teilen aus alten Quellen abgeschrieben worden ist.

6 der 19 Seiten sind nahezu identisch mit zwei Artikeln von Seán Boyne und Ken Gause, die 1997 und im vergangenen November in Jane’s Intelligence Review abgedruckt waren. 4 Seiten des Berichts stammen von dem kalifornischen Studenten Ibrahim al-Marashi, sie waren im September auf der Internetseite des Middle East Review of International Affairs erschienen. Al-Marashi hatte seine Studie aber bereits im Vorfeld des Golfkriegs 1991 veröffentlicht.

Die Regierungsbeamten machten sich nicht mal die Mühe, den Text zu redigieren, sie haben ihn in einer „Markieren und kopieren“-Aktion“ direkt aus dem Internet geklaut – inklusive Kommafehler. Das peinliche Papier enthält keinen Quellennachweis, sondern beruft sich auf „eine Reihe von Quellen, darunter Geheimdienstmaterial“.

Der Pressesprecher von Premierministers Blair räumte gestern ein, man hätte zumindest al-Marashi nennen müssen, das Regierungsdokument sei aber dennoch „solide“. Wichtig sei, dass es akkurat ist. Man wollte einen breiten Überblick geben, ohne die Geheimdienstquellen zu verraten.

Die gibt es offenbar gar nicht. „Alles deutet darauf hin, dass das Vereinigte Königreich keine unabhängigen Informationsquellen über Iraks interne Politik hat“, sagte Glen Rangwala, Politikdozent an der Cambridge-Universität. „Das Papier bezieht sich lediglich auf allgemein zugängliche Daten.“ Rangwala sagte, er sei verblüfft gewesen, dass ihm das Dossier so wohl bekannt vorgekommen war.

Die US-Regierung dürfte ebenfalls wenig erfreut über die britischen Regierungsplagiatoren sein. Schließlich hatte sich US-Außenminister Colin Powell ausgerechnet auf „dieses feine Papier des Vereinigten Königreichs“ berufen, als er am Mittwoch dem UN-Sicherheitsrat seine Beweise gegen den Irak darlegte. Das britische Papier beschreibe „die Täuschungen der Iraker in ausgezeichnetem Detail“, sagte Powell. Dass sich seine Beweisführung auf ein Schummelpapier stützte, macht ihn in den Augen der US-amerikanischen Öffentlichkeit nicht besonders glaubwürdig.

Plagiate sind in Wissenschaftskreisen und den Medien der USA verpönt. Bernard Jenkin, Verteidigungsminister im Tory-Schattenkabinett, sagte gestern: „Der Premierminister und Colin Powell haben dieses Dossier als Grundlage für einen möglichen Krieg bezeichnet. Wer ist für diese unglaubliche Fehleinschätzung verantwortlich?“ Blair sagte der BBC, sein Ruf sei ihm egal, wenn er die Wähler rechtzeitig vor den Gefahren von Massenvernichtungswaffen warnen könne. „Vielleicht irre ich mich“, sagte er, „aber ich glaube daran.“

RALF SOTSCHECK