Türkei darf besetzen

Die US-Regierung will laut Berichten türkischen Truppen erlauben, bei einem Irakkrieg kurdisches Gebiet im Nordirak einzunehmen

BERLIN taz ■ Für den Fall eines von den USA angeführten Krieges gegen den Irak will Washington türkischen Truppen offenbar gestatten, Teile des Nordirak vorübergehend zu besetzen. Wie die New York Times unter Berufung auf türkische und kurdische Quellen gestern berichtete, führen US-Diplomaten darüber derzeit geheime Gespräche in Ankara.

Dem Bericht zufolge soll die Stationierung türkischer Truppen auf ein Gebiet in unmittelbarer Grenznähe beschränkt bleiben. Bereits am Mittwoch hatte Ministerpräsident Abdullah Gül ein solches Vorgehen angedeutet. Zu Journalisten sagte Gül, seine Regierung wolle in der Lage sein, „Massaker, Flüchlingsströme und das Entstehen eines kurdischen Staates zu verhindern“. Derzeit sollen US-Regierungsvertreter, darunter der Sondergesandte von Präsident George W. Bush, Zalmay Khalilzad, bei den Kurdenführern im Nordirak für eine Akzeptanz des Deals werben.

Die US-Regierung dürfte mit diesem Zugeständnis auf die Befürchtung Ankaras zielen, dass ein Irakkrieg und ein Sturz Saddam Husseins zum Zerfall des Irak und damit zur Gründung eines unabhängigen kurdischen Staates an der Grenze zur Türkei führen könnte. Schon seit Ende des zweiten Golfkrieges 1991 sind weite Teile der kurdisch besiedelten Region de facto nicht mehr unter Kontrolle Bagdads.

Das Abkommen über eine türkische Besetzung ist offenbar Bestandteil eines Deals zwischen Ankara und Washington über eine Nutzung türkischer Stützpunkte durch US-Truppen nahe der Grenze zu Irak.

Erst am Donnerstag hatte das türkische Parlament der Stationierung US-amerikanischer Streitkräfte auf Antrag der religiös-konservativen Regierungspartei von Recep Tayyep Erdogan zugestimmt. 308 von 550 Abgeordneten stimmten in einer nichtöffentlichen Sitzung für den Antrag.

Berichten zufolge werden in den nächsten Wochen 15.000 bis 20.000 US-Soldaten in der Türkei stationiert. Ursprünglich soll Washington dort eine Stärke von 80.000 Soldaten angestrebt haben. ERIC CHAUVISTRÉ

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