Die Kopie ist das Original

So war‘s: Schwesterseelenallein im Schnürschuh Theater

Ach, wenn unser seliges Hildchen noch leben tät’, sie wär’ mittlerweile sehr stolz auf ihre „zehn Minuten zu spät geborene“ Schwester Irmgard. Die Knef! – „Wenn Se wissen, was ich meine…“ – hat keinen „Tapetenwechsel“, sondern einen “Imagewechsel“ hinter sich.

Nicht mehr die maliziös stichelnde, lamentierende Möchtegern-Diva, die Seitenhiebe in Richtung Hildegard verteilt. Vielmehr eine emanzipierte Grande Dame des Chansons, die mit gnadenlos schwarzhumorigem Scharfblick gegen den Stumpfsinn zu Felde zieht. Geharnischt mit brillanter Rhetorik wird das soziale Umfeld, insbesondere der Berliner Moloch, auf’s Korn genommen. Der würdevolle Privatkrieg einer, die das Gestern überlebt hat und das Heute allenfalls lakonisch kommentiert: Loveparade-Hedonismus, Fun-Geriatrie im Altersheim, der Tod einer Kreuzberger Trotzkistin bei Aldi, die wunderbare Welt der Mülltrennung… Und das parliert mit der unnachahmlichen Süffisanz einer vom flottierenden Lebensschmerz Wissenden.

Ach, die selige Hilde wär’ wohl nicht nur stolz auf Irmgard, nee: vielleicht gar ein bisschen neidisch. Denn im Kabarettisten, Autor und Verwandlungskünstler Ulrich Michael Heissig aliasKnef II. schwingt (swingt) musikalisches Genie. Altersfragil und mit dem warmen, rauchigen Timbre macht er dem Original mehr als nur Konkurrenz. Irmgards Sangeskunst hat – Strahlkraft! Auch wenn die gleichnamige Begleitband im Schnürschuh Theater nur vom Band tönt. Liebe Irmgard K. – würde Hildchen sagen – det hat Spaß gemacht, ham Se vieln Dank! Denn eins ist klar: Die fiktive kleine Schwester ist längst selbst das Original. Daniela Barth