press-schlag
: Große Momente im Leben des männlichen Menschen wollen entsprechend begangen werden

Der Afrikaner ist primär ein Theaterjubler

Der Psychologe hat das Wort. „Wenn es dem Spieler gelingt, gegen alle Widrigkeiten, in einer idealen Symbiose von Geschick und Härte und Glück, den Ball ins gegnerische Tor zu verbringen, dann bedeutet dies nicht nur den schieren Torerfolg. Diese Momente sind vergleichbar mit den großen Momenten im Leben eines männlichen Menschen. Wie: Belobigung durch den Chef vor allen Mitarbeitern. Oder: vollkommen gelungener Koitus!“ So spricht der Psychologe.

Heißt in der logischen Konsequenz: Ein solcher Moment muss entsprechend großartig begangen werden. Bloßes Tätscheln (Morlock-Seeler) bzw. Hüpfen mit geballter Faust (Helmut Haller) taugen längst nicht mehr als adäquate Gesten. Der Torjubel tut alles, es zum Kult zu bringen, und sagt einiges über den Jubler aus.

Beispiel vom Samstag: Hannovers Issidrou. Das 1:0 hatte soeben stattgefunden. Der Ghanaer überlegte schon im Abdrehen: „Was nun? Was tun?“ Issidrou eilte also auf die ihm am nächsten gelegene Eckfahne zu und begann diese zu beboxen. Warum das? Sollte die Eckfahne als imaginärer Gegner herhalten? Ein für den Mitteleuropäer unverständliches Stammesritual aus dem Kamerunischen? Etwas völlig anderes? Gar nichts? Nur einfach so? Schwer zu sagen. Issidrou gehört auf jeden Fall zu den Theaterjublern. Als Urvater dieser Spezies kann sich der Kameruner Roger Milla feiern lassen, der hüftwackelnd die Eckfahnen umkreiste. Halten wir also fest: Der Afrikaner ist primär Theaterjubler und neigt dazu, sich die Eckfahne als imaginären Partner zu wählen.

Wenn europäische, gar deutsche Akteure diese Jubelart wählen, wirkt es meistens etwas peinlich. Einheimischen Sportlern sei dringend geraten, sich auf ihren Urvater Stefan Kuntz zu besinnen, der seinerzeit den „Handwerkerjubel“, vulgo die „Säge“, kreiert hatte. Auch noch in Ordnung: der Bewegungsjubel mittels ausgiebigem Umherrennen oder einfache Salti nach Klose. Diagnose: etwas einfältig, aber geradeheraus.

Apropos Klose. Der ist ein Sonderfall, weil es ihm zwischenzeitlich gefällt, sich zu bekreuzigen. Und er damit eigentlich in fremden Forsten wildert. Bekreuzigen tun sich Elber, Ailton, Alves, Pizarro, Santa Cruz et al. Denen nimmt man eine, da unten noch weit verbreitete naive Gläubigkeit wenigstens zeitweise ab. Außerdem können sie motorisch außerordentlich elegant das Kreuz schlagen und anschließend unnachahmlich mit vor Rührung feuchten Augen schmachtend gen Himmel blicken. Diagnose: Südamerikaner. ALBERT HEFELE