Entspannung in der Elfenbeinküste

Die lang erwartete Rede von Präsident Laurent Gbagbo sorgt für eine kurzfristige Beruhigung der Situation

ABIDJAN taz ■ Das befürchtete Krisenszenario ist ausgeblieben. Die seit nahezu zwei Wochen erwartete Rede des ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo am vergangenen Freitag zum umstrittenen Friedensabkommen mit den Rebellen vermochte es bislang, die Stimmung im Land zu entspannen. Zahlreiche Anhänger des Präsidenten hatten seit der Unterzeichnung des Abkommens in Marcoussis bei Paris am 24. Januar Protestmärsche organisiert, bei denen es teils zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam. Sie lehnen den Plan ab, weil er ihrer Meinung den Rebellen zu viele Zugeständnisse gewährt.

Gbagbo fühlte sich sichtlich unbehaglich, als er sich in einer Fernsehansprache an das ivorischen Volk wandte. Sonst als sehr offensiver und selbstbewusster Redner bekannt, vermied er es diesmal, den Augenkontakt mit der Kamera und so mit den Zuschauern zu suchen.

„Ich lade euch ein, den Geist von Marcoussis anzunehmen und deshalb auch den Text der Vereinbarung, um ihn als Arbeitsgrundlage zu benutzen“, sagte Gbagbo. „Lasst uns diese Medizin versuchen. Wenn sie uns heilt, dann ist es vorbei. Wenn nicht, probieren wir ein anderes Medikament.“ Gbagbo sprach sich dafür aus, der geplanten Einbindung der Rebellen in die Regierung eine Chance zu geben. Allerdings sei über die Zusammensetzung der Regierung noch nicht entscheiden. Die Vergabe des Innen- und Verteidigungsministeriums an die Rebellen lehnte er ab. Dies widerspricht dem Friedensabkommen ebenso wie seine Äußerung, eine Entwaffnung der Streitkräfte sei nicht vorgesehen. Beide Punkte enthalten Sprengstoff für die Zukunft. Mit keinem Wort erwähnte Gbagbo die Opfer der Todesschwadronen, für die sich Kreise um den Präsidenten, wenn nicht gar er selbst, verantworten müssen, wie aus einen UNO-Bericht hervorgeht.

In der Hauptstadt Abidjan wurde die Rede unterschiedlich aufgenommen. Die Passagen, in denen der Präsident betonte, er sei weiter der Chef des Staates und habe letztendlich bei jeder Entscheidung das letzte Wort, genügten aber anscheinend auch den radikalsten Scharfmachern der letzten beiden Wochen wie Charles Blé Goudé, Anführer der „Allianz der Jugend“.

„Er sagte, was notwendig war – dem Volk, der internationalen Gemeinschaft und den politischen Parteien“, sagte Blé Goudé am Samstag. „Er hat an unseren Zusammenhalt appelliert und keinen vor den Kopf gestoßen. Er hat uns um Verzeihung gebeten.“ In der Tat hatte Gbagbo in seiner Rede um Verzeihung für die Fehler gebeten, die in Marcoussis gemacht worden seien. Doch Blé Goudé lehnte eine Regierungsbeteiligung der Rebellen weiter kategorisch ab. Das sei ein Aufruf zur Fortsetzung des Bürgerkriegs, sagte er später in einem Radio-Interview.

Allerdings bestätigte der Präsident in seiner Rede, dass der ehemalige Ministerpräsident Seydou Diarra in einer Regierung der nationalen Einheit wieder Regierungschef werden soll. Dies ist im Friedensabkommen so vorgesehen. Diarra stammt wie die meisten Rebellen aus dem muslimischen Norden. Seine Ankuft in Abidjan war bisher durch Anhänger von Blé Goudé verhindert worden.

Die Rebellen ließen verlauten, sie würden in einigen Tagen auf die Rede antworten. In ersten Reaktionen gegenüber dem britischen Rundfunksender BBC zeigten sie sich verärgert darüber, dass der Präsident das Friedensabkommen zurückgewiesen habe. Kurz vor der Ansprache hatten die Aufständischen der Regierung ein Ultimatum gestellt. Vom heutigen Montag an habe Gbagbo eine Woche Zeit, um den Inhalt der Vereinbarungen von Marcoussis in Gänze umzusetzen, heißt es. Danach bekämen alle Rebelleneinheiten freie Hand, auf Abidjan zu maschieren, sagte der Generalsekretär der größten Fraktion, Soro Guillaume. Schon in den vergangenen Tagen war immer wieder aus dem besetzten Norden zu hören, dass man nicht vorhabe, das Abkommen neu zu verhandeln und auf die Ministerien Inneres und Verteidigung zu verzichten. Die Stunde der Wahrheit wird nun die Ernennung der Regierung sein. HAKEEM JIMO