Der Preis der Schönheit

Chirurg soll 31 PatientInnen gegen Regeln der ärztlichen Kunst operiert haben. Er gesteht vor Gericht. Zuvor hatte er versucht, sich das Leben zu nehmen

Mit der Narkose war auch der Traum der neuen Schönheit vorbei. Statt mit Waschbrettbauch erwachte Frank B. mit einer „Kraterlandschaft“ auf seinem Bauch, und Brigitte T. trug statt der erwünschten Körbchengröße D an den Brüsten so starke Entzündungen davon, dass sie im Krankenhaus vier Mal unters Messer musste. 31 Fälle hat die Staatsanwaltschaft ermittelt, in denen der Chirurg Reinhard W. in seiner Eimsbütteler Tagesklinkik PatientInnen gegen die Regeln der ärztlichen Kunst operiert haben soll. Seit gestern steht er vor dem Landgericht. Auf den Rat des Richters, bei umfassendem Geständnis mit Strafmilderung rechnen zu können, erklärte der Arzt: „Wenn Beschwerden eingegangen sind, muss es einen Grund dafür geben. Ich muss eingestehen, dass die Vorwürfe berechtigt sind.“

Die besagen, dass Reinhard W. seine PatientInnen nicht über die Risiken informiert hatte, die mit dem gewünschten Eingriff verbunden waren. „Dann hätte ich der Operation nicht zugestimmt“, sagte eine 63-jährige Patientin vor Gericht. Zum anderen habe er „Schäden verursacht, die seinem chirurgischen Unvermögen zuzurechnen sind“. Bei Fettabsaugungen aus dem Oberschenkel habe er immer wieder zu viel Gewebe entfernt, so dass Dellen auf den Beinen und wulstige Hautfalten zurückgeblieben sind.

Nach Brustoperationen waren die Brüste der Frauen mehrfach unterschiedlich groß. Bei einer Brustvergrößerung soll dem Chirurgen mitten in der Operation eines der Silikonimplantate auf den Boden gefallen sein – woraufhin er es schlicht aufhob und der Patientin einsetzte. Die Brüste entzündeten sich so schwer, dass die Implantate in einer anderen Klinik wieder entfernt werden mussten. Was Reinhard W. damit erklärte, dass die Patientin nach der Operation einkaufen gegangen sei und schwere Tüten trug. „Sie hat einen Fehler gemacht“, wies der Chirurg die Schuld von sich.

Die PatientInnen waren durch Annoncen in Frauenzeitschriften auf die Tagesklinik aufmerksam geworden. „Schönheit muss nicht teuer sein“, hatte Reinhard W. darin versprochen. Er kassierte vor dem Eingriff bar ab – ohne Quittung. Facharzt für plastische Chirurgie war er nicht. Er hatte lediglich „verschiedene Kurse besucht und in Kliniken hospitiert“.

Außer der Verurteilung zu einer Haftstrafe droht Reinhard W. ein Berufsverbot. Als Chirurg praktizieren aber kann der 59-Jährige zurzeit ohnehin nicht mehr. Gegen seine Klinik läuft ein Insolvenzverfahren, und er selbst befindet sich in der Psychiatrie. Er hatte versucht, sich dem Prozess durch Selbstmord zu entziehen. Dabei wurde er entdeckt und von der Polizei ins AK Ochsenzoll gebracht – an dem Tag, an dem eine von ihm selbst geschaltete Todesanzeige erschien. ELKE SPANNER