Ein durchaus herrischer Mann

Den Ritter von seinem hohen Schwan geholt: Regisseur Anthony Pilavachi zeigt Bremen einen sehr heutigen Lohengrin

Die angebliche Abreise des Regisseurs von „Lohengrin“ erwies sich als Sturm im Wasserglas, Anthony Pilavachi blieb – natürlich. Es ist ja geradezu normal, dass sich Regisseur und Dirigent über bestimmte Stellungen und Positionen auf der Bühne in die Wolle kriegen. Es hatte allerdings schon was Komisches, dass der Chor mit dem Rücken zum Publikum platziert war, um dem im Hintergrund stehenden König zuzuhören – und sich zum Singen umdrehen musste.

Alle anderen Probleme wurden unerkennbar für den Zuschauer gelöst. So fand eine zu Recht vielbejubelte Premiere von Richard Wagners „romantischer Oper“ im Musicaltheater statt. Dessen Akustik zeigte sich – überraschenderweise – den Anforderungen eines „Lohengrin“ gewachsen.

Viel ist gerätselt und gedeutet worden, wer dieser aus einem Schwan steigende Lohengrin sein mag, der im Brabant des elften Jahrhunderts die des Mordes beschuldigte Elsa rettet und unter der Bedingung heiratet, dass sie nie fragen dürfe, wer er denn sei. Er hat nämlich von seinem Vater Parsifal den Auftrag, wie er am Ende der Gralserzählung mitteilt, nur unerkannt als Retter aufzutreten. Elsa allerdings kann den Druck ihrer schmuddeligen und korrupten Gesellschaft nicht aushalten. Sie fragt – und Lohengrin entschwindet wieder. Die politischen und die psychologischen Implikationen sind ebenso dicht wie abstrakt, so dass eine Lohengrin-Regie extrem schwer ist.

Es gibt ausreichend Hinweise darauf, dass Wagner selbst sich in der Lohengrin-Gestalt ein Denkmal gesetzt hat: der Künstler will bedingungslos verstanden werden. Diese Idee nimmt Pilavachi mit seiner in einer fiktiven heutigen Monarchie angesiedelten Inszenierung wieder auf: alle drei Akte spielen in einem modernen Raum. Pilavachi bedient sich zunächst der farbsymbolischen Klischees: Weiß für Elsa und Lohengrin, schwarz für die Intriganten Ortrud und Telramund und – wie ein ironisches Zitat – ein Hermelin-Samt-Mantel für den verkommenen König.

Er macht aus Elsa und Lohengrin derart modern und aktiv Liebende, dass man sich wundert, wenn Lohengrin wieder geht. Aber der meint es ernst mit seinem Künstlertum, wie er auch in der Hochzeitsnacht Elsa erst einmal porträtiert. Viel ging in dieser an sorgfältigen Details reichen Aufführung auch von der Musik aus: Schon das Vorspiel beeindruckte mit spannungsvollen Klangflächenwirkungen. Die von Generalmusikdirektor Lawrence Renes mit den Bremer Philharmonikern sauber erarbeitete, fast kammermusikalische Durchhörbarkeit der leitmotivischen Themen bei gleichzeitiger dramatischer Wucht unterstützte das Geschehen auf der Bühne bestens. Birgit Eger war keine duldende Projektionsgestalt, sondern eine real kämpfende Elsa, sie kriegt auch schon mal einen Wutanfall, in dem sie den Gral zerschmettern will – Lohengrin kann ihn gerade noch retten. Ihre überdimensionale gesangliche Leistung, der man am Ende schon die Anstrengungen anhörte, ist zu bewundern: nichts tut Wagner besser als die Technik des Bel Canto-Singens.

Klaus Florian Vogt als Lohengrin schonte seine Stimme am Anfang hörbar, steigerte sich dann aber mit einer schönen und geraden Vibratolosigkeit in eine fast makellose Leistung. Dies besonders auch darstellerisch: zunächst ein ungemein liebenswerter und charmanter Mensch, kann er auch ganz unangenehm werden, er verfügt über durchaus herrische Gesten und schleudert Elsa sogar zu Boden. Pilavachis Absicht, das Bösewichterpaar Telramund und Ortrud in seinen psychologischen und sexuellen Hörigkeiten vorzuführen, gewinnt durch Ivan Dimitrov und Ruth-Maria Nicolay an spannender Plausibilität. Andreas Haller als König Heinrich und Armin Kolarcyck als Heerrufer ergänzten außerordentlich profiliert die ambitionierte Szene. Ein Sonderlob für den von Thomas Eitler glänzend eingestellten Chor. Ute Schalz-Laurenze .

Lohengrin, Musicaltheater, Richtweg. Nächste Aufführungen: 16. Februar um15.30, 23. und 28. Februar, 18 Uhr