„Dann muss man eine Uni dichtmachen“

Der Präsident der Freien Universität, Peter Gaehtgens, hält die neuen Einsparvorschläge von SPD-FinanzsenatorThilo Sarrazin für schlicht nicht realisierbar – jedenfalls nicht mit drei Universitäten und 85.000 Studienplätzen

taz: Herr Gaehtgens, Finanzsenator Sarrazin will den Etat der Hochschulen um 200 Millionen Euro pro Jahr senken. Was würde das für die Berliner Universitäten bedeuten?

Peter Gaehtgens: Das ist ungefähr der Finanzumfang einer Universität in Berlin. Wenn es also wirklich zu dieser Kürzung kommen würde, müsste man eine Universität dichtmachen. Und wenn das Geld in den vorgesehen Zeiträumen, also bis 2008, eingespielt werden sollte, müssten alle anderen Hochschulen einen totalen Stellenstopp verhängen. Von daher kann ich mir nicht vorstellen, dass es so kommen wird.

Sie waren heute Vormittag gemeinsam mit den anderen Universitätspräsidenten zum Gespräch bei PDS-Wissenschaftssenator Flierl. Was hat er Ihnen zu den Sparplänen des Senats gesagt?

Er hat zwar nicht gesagt, dass das alles Mumpitz sei. Aber er hat zu verstehen gegeben, dass er das für völlig überzogene Erwartungen hält. Herr Sarrazin hat ja schon mehrfach durch Vorschläge von sich reden gemacht, die gar nicht umsetzbar waren. Sarrazins Perspektive ist eine rein finanzpolitische, eine inhaltliche ist das nicht. Aber die brauchen wir dringend.

Aber an Sie herangetragen worden ist dieser Plan weder von Flierl noch von Sarrazin, sondern vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. So heißt es jedenfalls.

Die Zahlen sind ja nicht ganz neu. Insgesamt sollen 400 Millionen aus dem Wissenschafts- und Kulturetat eingespart werden, angeblich sollen 100 aus der Medizin kommen, 100 aus der Kultur, 200 aus den Hochschulen.

Der Regierende Bürgermeister ist der Ansicht, trotzdem könnten 85.000 Studienplätze erhalten bleiben.

Das soll er uns mal vormachen. Die Studienplätze sind schon jetzt nicht mehr ausfinanziert, und die für die Lehre besonders wichtigen Mittelbaustellen können nur zu 80 Prozent besetzt werden. Es ist also völlig unrealistisch, eine dreistellige Millionenzahl aus den Hochschulen rausholen zu wollen, ohne eine Verminderung der Studienplätze in Kauf zu nehmen. Und weil die Politik uns seit Jahren versichert, 85.000 sei eine nicht reduzierbare Zahl, weiß ich ohnehin nicht, wie man weitere Einsparungen vornehmen soll.

Das heißt, Sie sehen bei den Hochschulen überhaupt kein Einsparpotenzial mehr ?

Nein, das ist wirklich ausgereizt. Und es wird so auch nicht kommen, da bin ich sicher. Aber was ich vor allem kritisiere, ist, dass solche Zahlen in die Öffentlichkeit gebracht werden und dann ihre abschreckende Wirkung entfalten – vor allem auch bei denen, die wir gerne nach Berlin holen würden.

Merken Sie das bei Stellenbesetzungen schon jetzt?

Ja, und zwar an allen drei Universitäten. Wir sind ja in einer personellen Erneuerung und mit zahlreichen Neuberufungen befasst. Und da bekommen wir Absagen und skeptische Nachfragen von Bewerbern, die wir gerne hätten. So macht Berlin sich seine eigenen Chancen kaputt. Auch die Studienreform wäre übrigens massiv betroffen.

Inwiefern?

Nehmen wir die MA- und BA-Studiengänge, die eingeführt werden sollen. Wir können nicht von einer Woche auf die andere die traditionellen Studiengänge beenden und die neuen anlaufen lassen. Es ist unvermeidlich, für eine Reihe von Jahren beides parallel zu fahren. Das können wir bei solchen Einsparungen aber nicht bewältigen.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE