An der elektronischen Leine

Die bundesweite Einführung des „überwachten offenen Strafvollzugs“ steht kurz bevor – und Sat.1 erklärt schon mal, worauf das in der Praxis hinauslaufen wird: „Der Fußfesselmörder“ (20.15 Uhr)

von JAN FREITAG

Es ist immer das Gleiche: Wenn sich Privatsender heiklen Themen widmen, werden Anflüge von Tiefe im Titel erstickt. „Der Fußfesselmörder“ heißt die jüngste Sat.1-Eigenproduktion. Das spielt sich im Niveau-Segment von „Du hast meine Tochter missbraucht – ich will Rache!“ ab. Eine deutsche Eigenart, jeder Subtilität so vorzubeugen. Also heißt Michael Karens Thriller nicht „Der Versuch“, sondern trägt den Plot im Namen. „Der Fußfesselmörder“ handelt vom verurteilten Mörder Brunner (Filip Peeters), der nach neun seiner 15 Jahre Haft Teil eines Justizexperimentes wird. Mit elektronischer Fußfessel am Knöchel soll er seine Reststrafe daheim verbringen und plant von dort aus seine Rache gegen Kathrin (Esther Zimmermann), jene Zeugin, die ihn in den Knast gebracht hat. Ein leidlich gut gespielter, phasenweise recht spannender, am Ende gar überraschender Film mit Flüchtigkeitsfehlern – und allerlei Klischees.

Sat.1 eben. Kurzweilig, aber dennoch irgendwie ärgerlich. Denn das brisante Thema „überwachter offener Strafvollzug“ dient hier nur als phänomenologisches Beiboot für einen weiteren Versuch, tradierte Bilder zu transportieren: noch ein Krimi vom bösen Mann, der dem schmierigen Politkarrieristen als Versuchskaninchen für seine Profilneurose dient; vom pensionierten Kommissar Dürrenmatt’scher Prägung, der seine Blumenzucht für die finale Lösung des Falles vernachlässigt; von der starken jungen Mutter, die als Opfer alle Phasen von verhuscht-ängstlich über hysterisch-resolut bis zu panisch-tough durchläuft. Da bleibt zwischen zwanghaften Episoden, wie Brunners Kurzkontakt mit Kathrins kleiner Tochter, keine Zeit für Hintergrundinfos über den Siegeszug der Fußfessel.

Die nämlich wird nach ersten Versuchen in Marshall Kochs Hessen vor knapp drei Jahren wohl bundesweit eingeführt – trotz aller Bedenken. Ob die eher konservative Angst vor zu geringer Abschreckung oder die liberalere vorm Überwachungsstaat: Wolf Jakobys Drehbuch lässt bei der Suche nach einem Probanden nur schnell über das „Wen“ diskutieren, nicht das „Ob“. Anders als in der Realität, wo vor allem Bewährungsstraftäter aus guten Verhältnissen mit Satelliten überwacht werden, trifft es im Film einen vermeintlichen Säuglingsmörder. Ob das richtig war, wird zum Schluss beantwortet: „Jeder wird nur, was er schon in sich trägt“, spricht der gealterte Exkommissar zu abspannender Geigenmusik. Ein Mörder mit Fußfessel trägt eben das Gen des Fußfesselmörders in sich. So einfach ist das auf Sat.1.