Mit Standhaftigkeit und Fingerspitzengefühl

Der ehemalige Diplomat Hans-Peter Kaul ist künftig als einer von 18 Richtern am Internationalen Strafgerichtshof tätig

Der Internationale Strafgerichtshof lässt ihn nicht mehr los. Erst handelte Hans-Peter Kaul im Auftrag der Bundesregierung das Statut des Gerichtshofs aus, jetzt wird er selbst als Richter über Anklagen wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen entscheiden. Gewählt wurde er auf einer fünftägigen Versammlung der inzwischen 88 Vertragsstaaten (siehe taz von gestern). Mit Kauls Wahl war zu rechnen, schon weil Deutschland knapp 20 Prozent des Budgets der neuen Den Haager Einrichtung stellt.

Dass ausgerechnet Kaul als Kandidat der Bundesregierung bei der Staatenkonferenz in New York antritt, war im letzten Sommer noch nicht abzusehen. Zunächst lief alles auf den Freiburger Juristen Albin Eser zu, der bis vor kurzem das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht leitete. Er war Favorit der damaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, und im September sprach sich sogar das Bundeskabinett für den anerkannten Experten des Völkerstrafrechts aus. Doch dann stolperte Däubler-Gmelin über ihren vermeintlichen Bush-Hitler-Vergleich, und Eser verlor seine Fürsprecherin. Prompt nutzte das Auswärtige Amt die Chance, Hans-Peter Kaul, den langjährigen Leiter des Völkerrechts-Referats, ins Spiel zu bringen. Kaul hatte ab 1996 für Deutschland die Verhandlungen um den neuen Strafgerichtshof bestritten und zuletzt im Botschafterrang am Aufbau des neuen Gerichts mitgewirkt.

Die Entscheidung traf letztlich eine Kommission von vier Völkerrechtsprofessoren – Jost Delbrück (Kiel), Knut Ipsen (Bochum), Albrecht Randelzhofer (Berlin) und Walter Rudolf (Mainz). Deren Empfehlung für Kaul fiel einstimmig, wie die taz aus Kreisen der Kommission erfuhr. Begründung: „Kaul und Eser waren zwar gleich geeignet, aber Kaul ist der sicherste Kandidat, weil alle ihn kennen, nachdem er das Statut des Gerichtshofs mit ausgehandelt hat.“

Doch die überraschende Nominierung Kauls führte auch zu Widerspruch. Es sei ein schlechtes Vorbild für Länder der Dritten Welt, so das in Konstanz ansässige Komitee für ein effektives Völkerstrafrecht (CoEICL), einen langjährigen Staatsdiener zum Richter zu machen. „Ein Diplomat kann sich nur schwer von seiner bisherigen Tätigkeit lösen und wird dem Vorwurf der Abhängigkeit von seiner Heimatregierung ausgesetzt sein.“

Doch das blieb die einzige Kritik. Als deutscher Verhandlungsführer hat Kaul – gegen den Widerstand der USA und gegen manche Zögerlichkeit der eigenen Regierung – jahrelang am Ziel eines starken Strafgerichtshofs festgehalten. Viele glauben deshalb, dass er die nötige Standfestigkeit als Richter haben wird. Für den Diplomaten Kaul spricht auch, dass der Gerichtshof wegen des Konflikts mit den USA, die um ihre nationale Unverletzlichkeit fürchten, in den nächsten Jahren viel diplomatisches Fingerspitzengefühl braucht.

Dass der 59-Jährige erst im neunten Wahlgang zum Zuge kam, hing weniger mit seiner Person als mit dem Wahlverfahren zusammen. Bei 43 Kandidaten und vielen Quotierungen war es zunächst schwer, die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Staatenkonferenz zu erlangen. Zum Vergleich: Der als arrogant geltende Franzose Claude Jorda, derzeit Präsident des Jugoslawien-Tribunals in Den Haag, benötigte 33 Wahlgänge.

CHRISTIAN RATH