Montenegro wartet weiter auf Präsidenten

Zweiter Wahlgang scheitert erneut an zu geringer Beteiligung. Opposition zufrieden. Wahlgesetzänderung steht bevor

BELGRAD taz ■ Nach Serbien sind am Sonntag auch in Montenegro die Präsidentenwahlen zum zweiten Mal in Folge an einer zu geringen Wahlbeteiligung gescheitert. So bleiben beide Teilrepubliken der erst vor zehn Tagen gegründeten Staatengemeinschaft „Serbien und Montenegro“ vorerst ohne Präsidenten.

Schuld an der „internationalen Blamage“, wie manche Analytiker das „Syndrom der gescheiterten Präsidentenwahlen“ bezeichnen, sind veraltete Wahlgesetze, die eine Mindestwahlbeteiligung von 50 Prozent vorschreiben. In Montenegro gingen laut den vorläufigen Endergebnissen nur knapp über 47 Prozent der Wähler zu den Urnen. Da nützte keine Wahlkampagne, kein Appell an das „demokratische Bewusstsein“, nicht einmal, dass sich die Regierung bereit erklärte, den in Serbien lebenden Montenegrinern die Reisekosten zu bezahlen.

Trösten konnte sich der Kandidat der regierenden „Demokratischen Partei der Sozialisten“ (DPS), Filip Vujanović, damit, dass er seine zehn Gegenkandidaten überzeugend mit rund 82 Prozent der Stimmen geschlagen hat. Und vor allem damit, dass er, als amtierender Parlamentspräsident, ohnehin das Amt des Präsidenten bis zu den nächsten Wahlen ausüben wird.

Die Führer der proserbischen, oppositionellen Koalition „Gemeinsam für Jugoslawien“, die zum Wahlboykott aufgerufen hatten, reiben sich jetzt die Hände. Das Ergebnis habe gezeigt, dass die Regierung von Milo Djukanović und ihre „sezessionistische Politik“ nicht die mehrheitliche Unterstützung im Volk genieße, erklärte Predrag Bulatović, Chef der „Sozialistischen Volkspartei“ (SNP). Die Wähler hätten in den Kandidaten keinen geeigneten Präsidenten erkannt.

Die Wahlen haben noch einmal bestätigt, dass die Montenegriner in zwei Lager – die „Sezessionisten“ von Djukanović und die „Föderalisten“ von Bulatović – gespalten sind. Tatsache ist aber, dass Djukanović seit den Parlamentswahlen im Dezember eine klare Mehrheit im Parlament und alle Machtinstrumente in der Hand hat. Anstatt aber notwendige politische und wirtschaftliche Reformen in Angriff zu nehmen, waren die demokratischen Kräfte sowohl in Montenegro als auch in Serbien bislang vor allem mit einer Ausweitung ihrer neuen Macht beschäftigt.

Zwar ist das Scheitern der Präsidentenwahl nur ein kleiner Schönheitsfehler. Doch der muss beseitigt werden. Dazu wird in Montenegro und in Serbien vor dem nächsten Anlauf das Wahlgesetz geändert werden müssen: Entweder wird die Mindestwahlbeteiligung abgeschafft oder der Präsident vom Parlament gewählt. ANDREJ IVANJI