Birmas Junta macht auf gastfreundlich

Amnesty international durfte erstmals nach Birma reisen. Kurz danach wurden wieder Oppositionelle verhaftet

BANGKOK taz ■ Die Lage der Menschenrechte und das Justizsystem sind in Birma trotz einiger Veränderungen immer noch desolat. Dieses Fazit zog eine Delegation der Menschenrechtsorganisation amnesty international gestern vor der Presse in Bangkok. Während der zehntägigen Reise in das südostasiatische Land hatte sich die Delegation sowohl mit Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi als auch mit sieben politischen Gefangenen getroffen. Einzelheiten der Unterredung mit Suu Kyi wurden nicht bekannt.

Mit Hilfe eines unabhängigen Übersetzers sei es möglich gewesen, vertrauliche Gespräche sowohl mit Inhaftierten als auch mit Freigelassenen zu führen, sagte Delegationsleiterin Demelza Stubbings. Für die Menschenrechtsorganisation, die seit Jahren die Zustände in Birma scharf kritisiert, war dieser Besuch eine Premiere. Seit 1988 hatte man sich vergeblich um Visa bemüht. Amnesty selbst wertet die Reise als Beginn eines langen Prozesses, „in dessen Verlauf noch viel getan werden müsse“.

Kritik ist auch weiter angebracht. Denn fast zeitgleich wurde gestern vermeldet, dass die Militärjunta zwölf Aktivisten von Suu Kyis Nationaler Liga für Demokratie (NLD) und des Volks der Shan verhaftet hatte. Sie werden beschuldigt, regierungsfeindliche Flugblätter verteilt und Demonstrationen geplant zu haben. Obwohl in den vergangenen zwei Jahren mehrere hundert politische Gefangene entlassen wurden, sitzen nach amnesty-Schätzungen noch mehr als 1.200 hinter Gittern. Die Menschenrechtler kritisieren vor allem, dass die Inhaftierten weder von Anwälten vertreten werden noch Kontakt zur eigenen Familie haben, geschweige denn medizinische Hilfe bekommen. Die Delegation überreichte der Junta eine Liste mit Namen von 19 Inhaftierten, die aus humanitären Gründen sofort freigelassen werden müssten.

Wann es ernsthafte Reformen in dem seit 1962 von wechselnden Militärs regierten Birma geben wird, bleibt offen. Zu oft schon versuchte die Junta per Salamitaktik die internationale Gemeinschaft dazu zu bringen, die Wirtschaftssanktionen gegen das rohstoffreiche, aber völlig verarmte Land aufzuheben. Hoffnung schöpften viele, als Suu Kyi im Mai vergangenen Jahres nach einem zweiten, diesmal 19-monatigen Hausarrest freigelassen wurde. Anlass zu Optimismus gab im August 2002 einer von mehreren Besuchen des malaysischen UN-Sonderbotschafters, Razali Ismail.

Eine Annäherung von Junta und Opposition ist nicht in Sicht, geschweige denn politische Reformen. Beide Seiten kritisieren sich sogar wieder öffentlich. War die Reiseerlaubnis für amnesty lediglich ein weiterer Versuch der Militärs, ihre Kritiker zu besänftigen? Die Menschenrechtler halten sich bedeckt. Die Delegation wollte die politische Lage gegenüber der taz nicht kommentieren. „Wir haben die Entwicklung natürlich aufmerksam verfolgt“, sagte Donna Jean Guest, „aber wir überlassen es anderen, diese zu bewerten. Unsere Aufgabe ist es, uns für die Menschenrechte einzusetzen.“

NICOLA GLASS