Großer Kreis der Unwissenden

Schröder und Fischer lassen bestreiten, dass ihr bilaterales Verhältnis zerrüttet ist

BERLIN taz ■ Den besten Erklärungsversuch machte gestern SPD-Fraktionsvize Gernot Erler. Solche Initiativen wie den deutsch-französischen Friedensplan für den Irak könne man eben nur „in einem sehr kleinen Kreis voranbringen“. Da sei es doch klar, „dass nicht jeder über alles Bescheid wissen konnte“.

Dumm nur, wenn zum großen Kreis der Unwissenden auch der Außenminister gehört. Und wenn er, wie Joschka Fischer am vorigen Samstag, gerade mit seinem amerikanischen Amtskollegen beisammensitzt, während der Spiegel über den angeblichen Geheimplan aus dem Kanzleramt berichtet. Da wäre es eigentlich nur menschlich, wenn der düpierte Minister zum Hörer griffe und ein „erregtes Telefonat“ mit dem Bundeskanzler führte, wie die Bild-Zeitung gestern berichtete.

Genügend Stoff für einen heftigen Wortwechsel hat sich in den vergangenen Wochen allemal angesammelt. Erst düpierte Fischer den Friedenskanzler zum Jahreswechsel mit der öffentlich geäußerten Einschätzung, bereits die UN-Resolution 1441 könne einen US-Angriff auf den Irak legitimieren. Wenig später legte sich Gerhard Schröder in seiner Goslarer Wahlkampfrede dann auf eine deutsche Nichtzustimmung zu einer etwaigen Kriegsresolution fest, ohne sich vorher mit dem Außenamt abgestimmt zu haben.

Außerhalb des Regierungslagers wurde der Außenminister für seine missliche Lage wortreich bemitleidet. Der frühere Bundeswehr-Generalinspekteur Klaus Naumann ließ wissen, er bedauere Joschka Fischer „sehr“. Es sei ein „Skandal“, den eigenen Außenminister „nicht voll ins Bilde zu setzen“. FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper forderte gar den Rücktritt des grünen Chefdiplomaten. „Joschka Fischer sollte die Konsequenzen daraus ziehen, dass die deutsche Außenpolitik an ihm vorbei gemacht wird.“

In den Reihen der Koalition wollte man von Problemen zwischen dem Kanzler und seinem Stellvertreter dagegen gar nichts wissen. Fischers Sprecher belegte die einschlägigen Presseberichte mit dem schönen Wort „Artikelmoos“ und fügte, um Missverständnisse zu vermeiden, noch den Begriff „Unfug“ hinzu. Regierungssprecher Béla Anda erklärte: „Das Verhältnis zwischen dem Außenminister und dem Bundeskanzler ist gut, war gut und wird auch in Zukunft gut bleiben.“ Und keiner der Beteiligten konnte sich erklären, wie der angebliche Friedensplan in die Medien geriet.

Den schlüssigsten Beweis lieferte wiederum SPD-Mann Erler. Fischers „Nichtwissen“ habe sich, so Erler, in erster Linie auf jene Passagen des Spiegel-Berichts bezogen, „die ja auch zum Teil in die falsche Richtung gehen“. Anders ausgedrückt: Fischer war am Wochenende nur deshalb überrascht, weil er so gut informiert war. RAB