Ja, mach nur einen Plan …

Paris ignoriert das deutsche Tohuwabohu um einen „Geheimplan“. Frankreich erarbeitet aber eine Vorlage für den Sicherheitsrat – und findet Verbündete

aus Paris DOROTHEA HAHN

Am Tag danach war die deutsch-französische Kakophonie bereits in den Hintergrund gedrängt – wenigstens in Paris. Statt die öffentliche Auseinandersetzung über einen „deutsch-französischen Geheimplan“ fortzusetzen, der nach französischer Lesart weder bilateral noch geheim, sondern rein französisch und bereits seit Tagen öffentlich bekannt war, konzentrierte Paris sich gestern ganz auf die nächste diplomatische Zuspitzung in der Irakfrage: Das Veto gegen Nato-Waffenlieferungen an die Türkei. „Die ernsthafteste Verstimmung, seit es die Allianz gibt“, lautete der Tenor der Radiokommentatoren.

Weiter erörterten die politischen Beobachter die Frage, welche Rolle Russland im Weltsicherheitsrat bei einer zweiten Irakabstimmung spielen werde: Präsident Putin ist Atlantiker und wird die Beziehung zu den USA nicht aufs Spiel setzen, lautete ihre Antwort.

Kurz nach der Vetokrise in der Nato traf Putin dann zu seinem ersten offiziellen Besuch in Paris ein. Bis dato hatte der russische Staatschef die französische Hauptstadt, wo die russischen Massaker in Tschetschenien Gegenstand offizieller Kritik waren, mit Missachtung gestraft. Doch von Tschetschenien ist inzwischen offiziell keine Rede mehr. Putin kam aus Berlin, wo er nach Gesprächen mit Kanzler Schröder – auslegungsfähig – formuliert hatte, die Positionen Russlands, Deutschlands und Frankreichs zur Frage einer möglichst friedlichen Regelung der Irakkrise seien „dem Sinn nach fast übereinstimmend“.

Zu dem „deutsch-französischen Geheimplan“ äußerten sich gestern lediglich einzelne Mitglieder der sozialdemokratischen Opposition noch. Eine gemeinsame europäische Initiative in der Irakkrise sei nötig, kein deutsch-französischer Alleingang, erklärte die Abgeordnete Marisol Touraine. Es gehe nicht darum, für Aufregung zu sorgen, sondern Saddam Hussein loszuwerden, so Exfamilienministerin Ségolène Royal.

Die französische Regierung hingegen vermied es sorgfältig, den öffentlichen Streit mit Berlin fortzusetzen. Nach dem Spiegel-Bericht über den „Geheimplan“ zur Entwaffung des Iraks mit Hilfe von Blauhelmen hatten am Wochenende in Paris mehrere Ministerien deutlich verärgert reagiert. Der Sprecher des Außenministeriums wies darauf hin, Außenminister Dominique de Villepin habe bereits am 5. Februar in New York im Anschluss an die Powell-Rede und die Powell-„Beweise“ mehrere Alternativen zu einem Krieg vorgeschlagen. Darum gehe es und um nichts anderes. Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie ergänzte das Dementi persönlich. Noch strenger und mit noch gestocheneren Worten als sonst erklärte „MAM“, es gebe sehr wohl einen „französischen Plan“, der vom Außenminister vorgetragen worden sei. Alliot-Marie: „Der Plan ist auf das Interesse zahlreicher Länder gestoßen, darunter auch Deutschland. Aber deswegen ist es noch kein deutsch-französischer Plan.“

Gestern war der „Geheimplan“ in den französischen Medien zu einer „Alternative zum Krieg“ mutiert. Zu einer Lösung, bei der ziemlich exakt jene Punkte wieder auftauchen, die Außenminister Villepin in der Vorwoche im Weltsicherheitsrat vorgetragen hatte: Die Zahl der Inspektoren im Irak soll verdoppelt oder verdreifacht werden; die Spezialkorps sollen die bereits kontrollierten Standorte im Irak unter Beobachtung halten; die Spionage- und Nachrichtenkapazitäten über dem irakischen Territorium sollen vergrößert werden, und ein Koordinierungszentrum soll den Chefinspektoren der UNO umgehend alle Informationen übermitteln.

Der Pariser Eindruck vom Wochenende, wonach sich Berlin mit fremden Federn geschmückt hat, wich damit gestern einem „Alternativplan“ für den Irak, der am Freitag im Weltsicherheitsrat vorgelegt werden solle. Ebenfalls zeichnete sich im Lauf des Tages ab, dass sich Belgien dem Plan angeschlossen hat. Und dass sich Russland dafür interessiert.

Indirekt Stellung zu dem Plan einer Aufstockung der Inspektoren nahm gestern auch UN-Chefinspektor Blix. Er erklärte, das grundlegende Problem sei nicht die Anzahl der Inspektoren, sondern die „aktive Zusammenarbeit der irakischen Seite“.

Mit Erleichterung nahm die Pariser Diplomatie gestern zur Kenntnis, dass die griechische EU-Ratspräsidentschaft ihrem Alternativplan zugeneigt ist. Der Athener Außenminister Papandreou will in den nächsten Tagen einen EU-Sondergipfel zum Irak einberufen.