berlinale szenen Zu viele Treppen

Der milde Osten

Warum wird eigentlich heute so wenig gemeckert? Früher fand man die Berlinale nur heimlich schön, offiziell aber grauenhaft, und erzählte sich unter Kollegen den schlimmsten Film des Tages. Aber das war eben die Westberlinberlinale – die bis 2001 ging. Unter Kosslick herrscht das Positive. Und wo es doch Verdruss gibt, beschäftigt er eine mobile Einsatztruppe, die einen abfängt, bevor man andere voll lästert. Als ich vorzeitig den portugiesischen Panorama-Film „Mulher Policia – Die Polizistin“ verließ, fing mich eine charmante Pressefrau ab, die mich auf Englisch fragte, warum ich denn schon ginge. „Langweilig“, murmelte ich, am liebsten hätte ich gesagt: zu wenig Action, zu wenig Tote, zu viele Waldszenen. Ob mir die Intensität des Films entgangen sei, wollte sie nun wissen. Ich stotterte rum. Hatte ich ein fatales Fehlurteil über einen jungen, ambitionierten Nachwuchsfilmer gefällt? Früher hätte ich jedem sofort von dem schwachsinnigen Film erzählt. Umgekehrt versuche ich nun, Leuten die Filme auch noch nachträglich schmackhaft zu machen. Nach dem tollen Johnnie To im Delphi traf ich zwei Leute, die eingeschlafen waren, und einer kritisierte heftig die zu häufig auftauchenden Treppen. Hongkong hat eben sehr viele Treppen, ist doch gut, die auch mal zu zeigen! Ich empfahl den Schläfern, den Film noch mal anzuschauen, im Delphi sei es zwar schön, aber zu sauerstoffarm für einen spannenden Film. ANDREAS BECKER