schnittplatz
: Hicks! Prost!

Politiker und Politikerinnen sprechen nicht gerne. Lieber talken sie. Und manchmal lallen sie auch, wie die Bild-Zeitung gestern auf ihrer Titelseite nahe legte: „Hicks! Prost! Grünen-Chefin blau im TV?“. Angelika Beer soll beim Nachrichtenkanälchen n-tv „mit schwerer Zunge wirres Zeug“ gestammelt haben. Nun ist es, mit einer Einschaltquote von knapp 500.000, ein kleines Wunder, dass überhaupt jemand am Sonntag den „Talk in Berlin“ gesehen hat. Beers Ausrutscher jedenfalls war ein gefundenes Fressen für die Bild-Zeitung.

Wir erinnern uns: Franz Josef Strauß kam immer erst dann rhetorisch richtig in Fahrt, wenn er sich gewisse Hemmungen weggesoffen hatte. Als das britische Parlament noch bis in die tiefe Nacht tagte, gab’s klare Mehrheitsverhältnisse für den Vollrausch. Und wenn eine Sabine Christiansen Unsinn von sich gab, tja, dann stand sie eben „unter dem Einfluss von Medikamenten“.

Ganz so dreist ist die Pressestelle der Grünen nicht. Frau Beer ginge es „gesundheitlich schlecht“, hieß es gegenüber der taz, aber das soll „so nicht wieder vorkommen“. Frau Beer bleibt künftig also gesund, das ist schön.

Aber was hat sie denn nun so Dummes gesagt mit ihrer schweren Zunge? Na, Sätze wie „Da ist erstmals wieder so was wie ’n Dialog entstanden, zwischen den Differenzen“. Dergleichen gibt etwa eine Frau Merkel regelmäßig von sich, nur blickt sie dabei vielleicht fester in die Kamera. Auch Beers Vorschlag, „Herrn Möllemann abzuschaffen“, muss nicht unbedingt vom Alkohol diktiert sein. Im Gegenteil: Trügen alle Politiker den Flachmann im Gepäck und das Herz auf der Zunge, die Talks könnten fast wieder Spaß machen.

n-tv-Chefredakteur Helmut Brandstätter tut derweil empört: „Wir können doch keine Alkoholtests machen“. Wir können aber gleich nach der Sendung bei der Bild-Zeitung petzen. Und allen übrigen interessierten Journalisten die Videokassette nicht zur Verfügung stellen, sondern – verkaufen! Für stolze „155 Euro plus Mehrwertsteuer“, wie uns der geschäftstüchtige Sender mitteilte. Gut, dass Frau Beer sich nicht nackig gemacht und Guido Westerwelle vernascht hat. Dann wäre die Kassette wohl unbezahlbar. ARNO FRANK