Tödliche Differenzen

Das Landgericht hat einen Matrosen des Inselstaats Kiribati wegen Mordes an einem deutschen Seemann zu sieben Jahren Haft verurteilt. Das Gericht wertete kulturelle Differenzen als strafmildernd und sprach von einer Tragödie

Ein trauriger Fall des Zusammenpralls der Kulturen fand gestern im Hamburger Landgericht sein Ende. Ein 32-jähriger Matrose vom Inselstaat Kiribati wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Der Angeklagte hatte gestanden, auf einem Containerschiff einen 28 Jahre alten deutschen Schiffsoffizier im November 2007 während eines Werftaufenthalts in Südchina erstochen zu haben.

Die Richter folgten mit dem Urteil weitgehend dem Antrag der Verteidigung. Es habe sich „um eine tragische Verkettung von Umständen gehandelt“, sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Der Totschlag sei im Affekt begangen worden. Die Anklage forderte achteinhalb Jahre Haft. In Hamburg verhandelt wurde der Fall, weil das Schiff „Hansa India“ in der Hansestadt seinen Heimathafen hat.

Der tödlichen Auseinandersetzung vorausgegangen war die Beziehung des Schiffsoffiziers mit einer jungen Bord-Stewardess, die wie der Täter aus Kiribati stammte. Den kulturellen Gepflogenheiten ihrer Heimat folgend betrachtete der Angeklagte die Stewardess als „Schwester“ und wachte über sie. Als er das Liebespaar schließlich bedrohte, entließ der Kapitän den 32-Jährigen fristlos und ohne klärendes Gespräch. Der Angeklagte suchte daraufhin den 28-Jährigen im Maschinenraum auf und stach nach einer erneuten Auseinandersetzung 19-mal auf ihn ein.

Es handle sich bei dem Tod des Seemanns um einen tragischen Fall, sagte der Vorsitzende Richter. Das „Bruder- Schwester-Verhältnis“ des Angeklagten zu der Stewardess sei von der europäischen Besatzung nicht verstanden worden. Und der Kapitän des Schiffes habe zur Eskalation beigetragen, indem er den Angeklagten ohne Chance zur Stellungnahme entließ. DPA