Krieg an der zweiten „Terrorfront“

Das philippinische Militär geht mit einer Offensive gegen muslimische Separatisten vor. Das ist ganz im Sinne der USA, die dort gerade ein Manöver durchführen. Washington hat auch die Kommunistische Partei samt ihrem bewaffneten Arm im Visier

von SVEN HANSEN

In der gestrigen Morgendämmerung haben rund 2.500 Soldaten der philippinischen Armee auf der südlichen Insel Mindanao eine Großoffensive gegen Stellungen der muslimischen Separatistenguerilla „Moro Islamic Liberation Front“ (Milf) begonnen. Berichten zufolge wurden nahe der Stadt Pikit in der Provinz Nord-Cotabato Artilleriegeschütze, Panzer, Kampfbomber und Hubschrauber eingesetzt. In den MILF-Camps haben laut Verteidigungsminister Angelo Reyes Mitglieder der Kidnappergruppe Pentagon Gang Unterschlupf bei ein- bis zweitausend Guerilleros gefunden. Die Pentagon Gang wird von der US-Regierung in ihrer Liste der Terrorgruppen geführt.

Reyes brachte seit Tagen Truppen in Stellung. Dabei herrscht offiziell zwischen Regierung und Milf seit 1997 ein Waffenstillstand. Der ist extrem brüchig, weshalb ihn im August 2001 beide Seiten noch mal bestätigten. Friedensgespräche sind seit Oktober 2001 ausgesetzt. Mit 12.500 Kämpfern ist die seit Ende der 70er-Jahre für einen unabhängigen muslimischen Staat kämpfende Milf die größte Rebellengruppe des Landes.

Überraschenderweise ordnete Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo bereits Stunden nach Beginn der gestrigen Offensive einen Stopp der Militäroperation an. Da waren nach Militärangaben schon mindestens sieben Rebellen und ein Soldat getötet und eine unbekannte Zahl verletzt worden. 20.000 Zivilisten hatten die Flucht ergriffen.

Arroyo begründete den Stopp damit, dass Kämpfe den Friedensprozess gefährdeten. Die Regierung will eine neue Friedensinitiative starten, erweckte bisher aber den Eindruck, dass diese nicht mit einem Nachlassen des militärischen Druck einhergehen soll. Diese Meinung scheint insbesondere die Militärführung zu vertreten, die sich Frieden allenfalls als gesichtswahrende Kapitulation der Rebellen vorstellen kann.

Ein Milf-Sprecher bestritt die Beherbergung der Pentagon Gang und vermutete, die Militäroffensive solle die Rebellen zur Annahme eines unvorteilhaften Friedensplans zwingen. Der Sprecher begrüßte den Stopp der Offensive, forderte aber den Rückzug des Militärs.

Die Philippinen wurden im vergangenen Jahr für die USA nach Afghanistan zur zweiten Front im „Krieg gegen den Terrror“. Die USA unterstützen seitdem in ihrer früheren Exkolonie massiv das Militär. So leiteten monatelang US-Spezialeinheiten die einheimische Armee im Kampf gegen die Kidnapper- und Rebellentruppe Abu Sayyaf an. Die Armee erhielt Nachtsichtgeräte, Gewehre und Hubschrauber und drängte Abu Sayyaf in die Defensive. Die in Deutschland durch die Entführung der Familie Wallert zu Ostern 2000 bekannt gewordene Gruppe soll Mitte der 90er-Jahre Kontakte zum Terrornetzwerk al-Quaida gehabt haben. Sie gibt sich separatistisch und islamistisch, doch ist sie vor allem an Lösegeldern interessiert.

Seit dem 3. Februar führen wieder 600 US-Marines mit einheimischen Soldaten im Norden des Landes ein 21-tägiges Manöver durch. Es ist das erste von bis zu 17 für dieses Jahr geplanten gemeinsamen Übungen. Im Blick der USA sind auch die Kommunistische Partei (CPP) und deren Neue Volksarmee (NPA). Die seit 1969 einen maoistischen Guerillakrieg führende CPP/NPA wurde im August 2002 von den USA auf die Terrorliste gesetzt. Auf Drängen Manilas erklärte im Oktober auch die EU beide Organisationen zu Terrorgruppen.

Die NPA, die 1987 noch bis zu 30.000 KämpferInnen zählte, schrumpfte nach Niederlagen und Spaltungen bis Ende der 90er-Jahre auf 7.000. Doch nicht zuletzt wegen weit verbreiteter Armut und der Reformunfähigkeit der Elite wuchs sie wieder auf 9.000 KämpferInnen an. Neben der militärischen Bekämpfung macht die Regierung den Kommunisten immer wieder Gesprächsangebote und versucht Guerilleros mit Amnestieversprechen zur Aufgabe zu bewegen. Gesprächsbereit geben sich auch die Rebellen. Verhandlungen sind für sie wie für die Regierung ein Forum der Propaganda.

Regierung und Rebellen sind nicht wirklich kompromissbereit. So kam es auch nie zum Durchbruch, obwohl es seit dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos 1986 Gespräche gab. Zuletzt brach die Regierung im Sommer 2001 Verhandlungen ab, nachdem die NPA zwei Abgeordnete erschossen hatte.

Jetzt machen CPP und NPA zur Vorbedingung für neue Gespräche, dass Manila, Washington und Brüssel sie nicht mehr als Terrororganisationen einstufen. Manila bietet eine Amnestie im Tausch für das Niederlegen der Waffen. Erst dann sollen CPP und NPA nicht mehr als Terrorgruppen bezeichnet werden. Ein NPA-Sprecher lehnte das Angebot als „Kapitulation“ ab und drohte mit Angriffen, sollten die USA den Irak angreifen.