Für Frieden, aber nicht für Rot-Grün

Am Aktionstag gegen den Irakkrieg will sich das Demonstrationsbündnis nicht von der Regierung vereinnahmen lassen. Kritik an „dilettantischer“ Diplomatie und verdeckter Hilfe für die USA. Allein in Berlin erwarten die Veranstalter über 80.000 Leute

aus Berlin ULRIKE WINKELMANN

Wo immer die Linke Einigkeit bekundet, sind die Antideutschen nicht weit. So musste es sich das Aktionsbündnis 15. Februar gestern gefallen lassen, dass das Kommando Sir Arthur Harris die Pressekonferenz zur für den kommenden Samstag geplanten Antikriegsdemonstration in Berlin unterbrach.

Das Kommando, benannt nach dem britischen Luftmarschall, der im Zweiten Weltkrieg die deutschen Städte bombardieren ließ, hielt ein Transparent mit dem Text hoch: „No peace for Saddam / Fight old Europe“ („Kein Frieden für Saddam / Bekämpft das alte Europa“). Von Bitten und Aufforderungen zu gehen ließ sich das halbe Dutzend Ende-20- oder Anfang-30-Jähriger in gedecktem Nachstudiumsoutfit nicht vertreiben. Erst musste eine Erklärung zu Ende verlesen werden, in der das Kommando dem Antikriegsbündnis sowie allen Friedensorientierten einen „kaum zu bändigenden Hass auf die USA“ vorwarf. Der Deutschenmehrheit gehe es in ihrer romantischen Friedenssehnsucht lediglich um „ihre Psychohygiene“, nicht jedoch um das Wohl der irakischen Bevölkerung.

Nicht, dass die Sprecherinnen und Sprecher des Aktionsbündnisses im Anschluss darauf eingegangen wären. Allerdings zerstreute Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag den Verdacht, dass die Berliner Großdemonstration zu einem Marsch der „moralischen Bodentruppen der Friedensbewegung“ (O-Ton Kommando) zur Unterstützung der rot-grünen Politik geraten könnte.

„Die Position der Bundesregierung ist hilfreich, auch wenn sie uns nicht genügt“, sagte Strutynski. Er forderte teilweise, was der Bundeskanzler bereits versprochen hat: ein Nein im UN-Sicherheitsrat gegen jede kriegsfördernde Resolution und eine Verweigerung jeglicher Unterstützung für den Krieg. Darüber hinaus aber verlangt das Aktionsbündnis, dass Rot-Grün die Truppen aus Kuwait und der Golfregion zurückziehe. Die Überflugsrechte für US-Kriegsflugzeuge sowie die Nutzungserlaubnis der US-Stützpunkte sollten zurückgenommen werden. Auch dürften deutsche Besatzungen nicht an Awacs-Flügen zur Luftaufklärung teilnehmen. „Die Friedensbewegung kann sich kaum retten vor der Unterstützung der Regierungsparteien“, erläuterte Strutynski das Vereinnahmungsproblem der Aktivisten. „Aber ich denke, solange die nicht versuchen, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen, sollten wir das begrüßen.“ Harsche Worte fand Strutynski für die jüngsten diplomatischen Pannen der Bundesregierung: Sie „vertritt die richtige Sache außerordentlich dilettantisch“, sagte er. Das kommunikative Chaos um die Frage einer Blauhelmtruppe, das am Wochenende entstanden war, sei ein weiterer Beweis dafür, dass „unzweideutige Signale“ und „klare Worte“ nötig seien.

Das Bündnis geht davon aus, dass der Krieg gegen den Irak noch nicht beschlossene Sache sei. Nur – „wir müssen realistisch sein, was unsere Arbeit angeht“, sagte Laura von Wimmersperg, Sprecherin der Berliner Friedenskooperative. „Wir können nicht sagen, ob wir einen Krieg verhindern können.“ In jedem Fall aber hofft das Bündnis, dass der stetig stärker werdende Zuspruch aus der Bevölkerung sich auch nach der Demo und nach einem Irakkrieg erhalten lässt.

„Der Aufstand der Vernunft braucht einen ganz langen Atem“, formulierte Kathrin Vogler vom Bund für soziale Verteidigung. Der Protest gegen den zweiten Golfkrieg 1991 sei „nur ein Strohfeuer“ gewesen. Nun erwarte man, dass sich die Demonstranten ab Samstag „nicht wieder aufs Sofa setzen“.

Wie viele Menschen sich für Samstag vom Sofa lösen und durch Berlin laufen werden, vermochte niemand auf dem Podium zu schätzen. Über 300 Busse seien angekündigt, man rechne mit mehr als 80.000 Teilnehmern – so viele seien auch zum Besuch des US-Präsidenten im Mai gezählt worden.

Welche Aktionsform das Kommando Sir Arthur Harris wählen wird, um die erwarteten Massen auf die ideologischen Tücken jeglicher USA-Kritik hinzuweisen, blieb gestern leider offen.