Berlin baut vor

Bei einem Misserfolg ihrer Friedensbemühungen schließt die Bundesregierung militärische Unterstützung der Türkei nicht aus

BERLIN taz ■ Das Veto war möglicherweise nicht das letzte Wort. Die Bundesregierung schließt nicht aus, sich bei einem Scheitern ihrer Friedensbemühungen zu einem späteren Zeitpunkt an den Nato-Plänen zum Schutz der Türkei zu beteiligen. „Wir können nicht ausschließen, dass wir in ein oder zwei Monaten in einer neuen Situation sein können“, hieß es dazu gestern aus Regierungskreisen. Das bedeute aber nicht, dass die Bundesregierung von ihrem Wahlversprechen abweiche, sich nicht an einem möglichen Irakkrieg zu beteiligen.

Am Montag hatte sich Deutschland einem Veto Belgiens und Frankreichs angeschlossen und damit eine Behandlung der Türkei-Pläne im Nato-Rat vorerst verhindert. Eine derart konkrete Planung für einen Kriegsfall wäre nach Ansicht der Regierung ein „falsches Signal“ gewesen. Die Dynamik, die zu einer Militäraktion führt, habe man nicht selbst anheizen wollen.

Deutschland habe der Türkei jedoch „alle Versicherungen abgegeben, dass wir selbstverständlich solidarisch an ihrer Seite stehen“. Die deutschen Besatzungen der Awacs-Flugzeuge in der Türkei würden nicht abgezogen, außerdem bleibe es bei der Lieferung von Patriot-Abwehrraketen auf dem Umweg über die Niederlande. „Weiter geht es ja gar nicht, was die Türkei anfordert“, hieß es. In Regierungskreisen wird daher gemutmaßt, dass es den USA bei ihrem Drängen auf einen Beschluss des Nato-Rats gar nicht um den Schutz der Türkei gehe. Washington habe ein Signal setzen wollen, „dass die Nato hinter einer Angelegenheit steht, die wir im Moment nicht für vertretbar halten“.

Dennoch dürfe man den Konflikt innerhalb der Nato nicht dramatisieren. „Wir wissen doch, wie sehr wir auf die Amerikaner angewiesen sind.“ Einigkeit bestehe über die Zielsetzung, die Gefahr durch irakische Massenvernichtungswaffen zu beseitigen. Dabei halte auch die Bundesregierung eine Militäraktion für die „Ultima Ratio“.

Für Spekulationen über eine neue Resolution des UN-Sicherheitsrats bestehe dennoch kein Grund. Solange die Möglichkeiten der Waffeninspektionen noch nicht ausgeschöpft seien, gebe es „gar keine Veranlassung, bereits jetzt über eine zweite Resolution nachzudenken“. Es sei allerdings eine „ganz andere Frage, ob man an eine zweite Resolution denkt, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind“. Die „Einleitung von militärischen Zwangsmaßnahmen“ bedürfe einer „klaren Mandatierung“ – „dann, wenn es so weit sein sollte“. Deutschland selbst werde einer solchen Resolution allerdings nicht zustimmen. „Das bleibt die Position.“ RALPH BOLLMANN