Abgewrackt

Begräbnisstimmung bei HDW-Werft in Kiel: Neuer Vorstand will 750 von 3400 Mitarbeitern entlassen. Kritik aus Politik und Gewerkschaften

von WOLFGANG SCHMIDT

Die strahlende Wintersonne passte gestern so gar nicht zur Stimmung an der Kieler Förde: Mit Existenzangst kamen die Beschäftigten der Werft HDW (Howaldtswerke-Deutsche Werft AG) am Morgen zur Arbeit. 750 von 3400 sollen bis Mai 2004 ihren Job verlieren, eine Dimension, mit der trotz weltweiter Schiffbaukrise und fehlender Aufträge im Handelsschiffbau niemand gerechnet hat. „Begräbnisstimmung“ machte sich bei Schichtbeginn breit.

Die schockierende Nachricht von Dienstagabend bedeutet, dass mehr als jeder fünfte Mitarbeiter gehen müsste, wenn der Vorstand sein Konzept durchzieht. Erst vor einem halben Jahr hatte HDW 200 Stellen abgebaut; die Hoffnung, dabei könnte es auf absehbare Zeit bleiben, ist jetzt bitter enttäuscht. Dass der Vorstand beispielsweise plant, den Stahlbau kräftig zu beschneiden und Schiffsrümpfe billig im Ausland einzukaufen, lässt manche zweifeln. Wer glaube, man könne eine Werft wie ein Konstruktionsbüro führen, werde den Wettbewerb nicht gewinnen, orakelt Kiels IG Metall-Chef Wolfgang Mädel.

Der erst seit vier Monaten amtierende Werftchef Helmut Burmester hatte die drastischen Einschnitte mit der weltweiten Schiffbaukrise und der asiatischen Billigkonkurrenz besonders im Handelsschiffbau begründet. Auf kleinere und technisch anspruchsvolle Schiffe wolle man sich künftig konzentrieren: U-Boote, Marine-Überwasserschiffe, kleine Kreuzfahrer, Fähren, Mega-Yachten und Spezialschiffe.

Überhaupt nicht schlüssig ist für den Betriebsratsvorsitzenden Ernst August Kiel das Vorstandskonzept. Er kündigt Widerstand an und will vor allem die Arbeit auf mehr Schultern verteilen. Allein 550.000 Stunden, die Jahresarbeitszeit von 400 Beschäftigten, lägen auf Zeitkonten. Und mehr als 500 Leute arbeiteten nach Sonderregelungen 40 statt 35 Stunden in der Woche, was noch einmal 100 Beschäftigten entspreche. Hier will der Betriebsrat einhaken, um die Zahl 750 doch noch spürbar zu senken.

Mit politischen Forderungen reagierte die Opposition. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderte den Bund auf, seinen Anteil an der Werftenhilfe von einem Drittel auf 50 Prozent zu erhöhen. Darum hatte sich auch die Landesregierung in der Vergangenheit vergeblich bemüht. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Angelika Volquartz verlangte vom Land, seine Komplementärmittel für die Werftenhilfe des Bundes voll auszuschöpfen. Die Landesregierung sah sich dazu bisher aus finanziellen Gründen nicht in der Lage.

Aus der SPD kam Kritik am HDW-Management: „Die beabsichtigten Entlassungen und die Einschränkung der Produktion von Handelsschiffen bei HDW sind das Ergebnis einer verfehlten Unternehmenspolitik“, sagte der schiffbaupolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Thomas Rother: „Nun müssen die Arbeitnehmer der HDW die Folgen der verhängnisvollen Management-Fehler tragen.“