Regierungschef von Moskaus Gnaden

Der ehemalige Rüstungs- und Finanzexperte Anatoli Popow ist neuer Ministerpräsident von Tschetschenien

Tschetschenien hat einen neuen Ministerpräsidenten: Anatoli Popow (42). Sein Vorgänger auf diesem Posten, Michail Babitsch, war am vergangenen Sonnabend zurückgetreten. Babitsch hatte sich mit dem Vorsitzenden der Verwaltung der Bergrepublik, Achmad Kadyrow, nicht darüber einigen können, wer von beiden das Recht habe, einen neuen Finanzminister in Tschetschenien zu ernennen.

Wie der Vorfall zeigt, ging es bei der jüngsten Regierungskrise in Tschetschenien um Geld, wobei die Zuständigkeiten in der von Moskau dort eingesetzten Administration unklar bleiben. Ein weiterer Mächtiger, der in die Angelegenheiten des kleinen Landes hineinredet, ist der Minister der Russischen Föderation für tschetschenische Angelegenheiten, Stanislaw Iljassow.

Iljassow und Tschetscheniens De-facto-Präsident Kadyrow hatten sich am Wochenende bereits auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt geeinigt, als Präsident Putin beide anrief, ihre Pläne durchkreuzte und Popow in Amt und Würden setzte. Informierten Kreisen zufolge stehen hinter dieser Ernennung das Verteidigungsministerium und die Geheimdienste, die verhindern wollten, dass die beträchtlichen, im russischen Staatshaushalt für den Wiederaufbau Tschetscheniens vorgesehenen Finanzmittel unter die Kontrolle des Gespannes Iljassow/Kadyrow fielen.

Popow war zuletzt Direktor der Behörde für den Wiederaufbau ziviler Objekte in Tschetschenien. Seine guten Beziehungen zu den so genannten Machtministerien hat er in den Neunzigerjahren als Finanzdirektor von Roswooruschenie geknüpft, der in Staatsbesitz befindlichen, größten Waffenholding der Russischen Föderation. Ein anderes, bemerkenswertes Element in Popows Biografie: Er nahm freiwillig als so genannter Liquidator an den Aufräumarbeiten nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl teil.

Ansonsten kann man Popows Leben in die Zeit vor und die nach Roswooruschenie einteilen. Popow wurde nicht weit von Wolgograd geboren, studierte dort Landwirtschaft, promovierte in Volkswirtschaft und arbeitete bei diversen Forschungsinstituten seines Heimatbezirkes. 1991 ging er nach Moskau als Berater des Noch-UdSSR-Ministerpräsidenten Nikolai Ryschkow. Danach und unmittelbar vor seiner Aufnahme in die berühmte Waffenholding beriet er die Bank Menatep bei ihrer Zusammenarbeit mit Regierungsorganisationen. Die Erfahrung im Lenken von Finanzströmen muss ihm auch privat zugute gekommen sein. Ende der Neunzigerjahre unternahm er einen Versuch, in seinem Heimatkreis an der Wolga für die Duma zu kandidieren, wurde aber wegen ungenauer Angaben über seine Finanzverhältnisse zu den Wahlen nicht zugelassen.

Popow ist verheiratet und hat einen Sohn. Er treibt gern Sport. Dazu wird er in seinem neuen Amt nicht kommen. Seine Hauptaufgabe besteht jetzt darin, die TschetschenInnen durch die Auszahlung der zurückgehaltenen Pensionen und staatlichen Gehälter vor dem von Moskau geplanten Referendum bei Laune zu halten. Ansonsten versicherte Popow nach seiner Ernennung, er wolle sich in die Personalpolitik in der Republik nicht einmischen. Sein Hauptziel sei, „nicht zu schaden“. Wem er nicht schaden will, behielt er für sich, vermutlich wohl Kadyrow und Iljassow. BARBARA KERNECK