Ein Signal in Richtung Öffnung

Abgeordnete des Europaparlaments votieren mit einer knappen Mehrheit dafür, die Einreise und den Aufenthalt von Arbeitsmigranten in der EU zu erleichtern

Weiter umstritten bleibt, wie der Begriff „Familie“ abgegrenzt werden soll

BRÜSSEL taz ■ Mit der in Migrationsfragen üblichen knappen Mehrheit aus Grünen, Sozialisten und Radikalen hat sich das Europaparlament gestern dafür ausgesprochen, Einreise und Aufenthalt von Arbeitsmigranten in der Union zu erleichtern. Die Entscheidung hat aber nur symbolische Bedeutung, denn EU-weites Ausländerrecht muss einstimmig von den Mitgliedsstaaten beschlossen werden.

Dennoch wurde die Debatte über den Richtlinienvorschlag der Kommission sehr leidenschaftlich geführt. So kritisierte der deutsche Konservative Hartmut Nassauer, dass die sozialistische Berichterstatterin Anna Terrón i Cusí in ihren Forderungen noch über den Entwurf der EU-Kommission hinausgeht. Kommissar António Vitorino hatte Mitte 2002 einen neuen Vorschlag vorlegen müssen, da der Rat sein ursprüngliches Zuwanderungskonzept als zu freizügig kritisiert hatte.

Im neuen Kommissionsentwurf ist eine Klausel enthalten, wonach Mitgliedsstaaten je nach den Erfordernissen ihres nationalen Arbeitsmarktes die EU-Regeln einschränken können. Diese Klausel will eine knappe Mehrheit im Europaparlament streichen. Der deutsche Konservative Christian von Boetticher nannte das „bei fast fünf Millionen Arbeitslosen allein in Deutschland und Schulklassen, in denen mehr als die Hälfte der Kinder nicht mehr die Landessprache verstehen, ein falsches Signal zur falschen Zeit“.

Der Vitorino-Vorschlag, wonach Zuwanderer eine Aufenthaltsberechtigung erhalten, wenn ein Arbeitsplatz mindestens vier Wochen nicht besetzt werden konnte, geht den Konservativen zu weit. Sozialisten, Grüne und Liberale wollen aber eine Frist von drei Wochen.

Der Rat wird die Vorschläge kaum zur Kenntnis nehmen. Dort blockiert Bundesinnenminister Schily alle Bemühungen um mehr Freizügigkeit für Arbeitsmigranten. „Wenn das Parlament im Bereich der Asyl- und Einwanderungspolitik nicht weiter für den Papierkorb des Rates produzieren will, muss es solche Berichte spätestens in der Plenarabstimmung ablehnen“, so der deutsche konservative Europaparlamentarier Hartmut Nassauer. Einig waren sich Konservative und Sozialisten, Familienmitgliedern von EU-Bürgern mehr Bewegungsfreiheit in der Union zu ermöglichen. Partner aus Drittländern sollen rasch in dem EU-Land eine Aufenthaltsberechtigung erhalten, wo ein Familienmitglied berufstätig ist. Umstritten bleibt, wie „Familie“ abgegrenzt werden soll.

Eine knappe Mehrheit des Parlaments stimmte dafür, das Aufenthaltsrecht auf gleichgeschlechtliche Partner auszuweiten, falls im Gastland nichteheliche Lebensgemeinschaften rechtlich der Ehe gleichgestellt sind. Ein Antrag, wonach Ehepartner aus Drittländern nach der Scheidung sofort Anspruch auf eine eigene Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis haben, fand keine Mehrheit. Die Wartefrist soll aber verkürzt werden: Während im Kommissionsentwurf fünf Jahre vorgesehen sind, will das Parlament, dass Familienangehörige zwei Jahre nach Einreise in die EU ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erwerben.

DANIELA WEINGÄRTNER