Positionswechsel in Teheran

Bislang hat Iran einen Krieg der USA gegen seinen Nachbarn strikt abgelehnt. Das ändert sich jetzt. Zum einen fürchtet Teheran weitere Isolierung. Zum anderen könnte ein Regimewechsel in Bagdad neue Möglichkeiten der Einflussnahme eröffnen

von BAHMAN NIRUMAND

Er kam überraschend und ohne Vorankündigung: Am vergangenen Sonntag traf der irakische Außenminister Nadschi Sabri zu Gesprächen mit seinem iranischen Amtskollegen Kamal Charrasi in Teheran ein. Politische Beobachter in Teheran vermuten, dass die Reise Sabris mit den Gesprächen zusammenhängt, die der iranische Außenminister letzte Woche mit dem britischen Premierminister Tony Blair und Außenminister Jack Straw in London geführt hat.

Es ist auch möglich, dass EU-Außenkommissar Chris Patten, der sich Anfang Februar in Teheran aufhielt, Irans Regierung um Übermittlung einer Botschaft an Bagdad gebeten hatte. Patten hatte in Teheran erklärt, die EU wolle trotz bestehender Differenzen bezüglich der Irakkrise mit Iran zusammenarbeiten.

Nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur IRNA forderte Charrasi bei dem Treffen Irak auf, die UN-Resolution 1441 zu befolgen. Dies sei die letzte Chance, „Vorwände“ der USA für eine militärische Intervention zu „neutralisieren“, sagte der Minister. Der irakische Außenminister erwiderte, die Führung seines Landes habe beschlossen, die Zusammenarbeit mit den Inspektoren zu verbessern. Bei einem Gespräch mit Chatami überreichte er dem Staatspräsidenten ein persönliches Schreiben Saddam Husseins. Der Inhalt ist nicht bekannt. Sabris Äußerungen war jedoch zu entnehmen, dass Saddam Chatami vor den Folgen eines Krieges gewarnt hat. Die USA würden sich nicht mit Irak begnügen, sondern danach auch Iran angreifen.

Der Empfang des irakischen Außenministers ist Teil einer Reihe diplomatischer Aktivitäten Teherans angesichts eines möglichen Kriegs der USA gegen Irak. Sie deuten darauf hin, dass Iran einen Kurswechsel vorgenommen hat und bestrebt ist, die Passivität, in die es durch ein kategorisches Nein zum Krieg geraten ist, zu überwinden.

Bis vor kurzem lehnte die Islamische Republik jeden militärischen Angriff auf Irak entschieden ab. Doch je wahrscheinlicher der Krieg wurde, desto stärker wuchs der Widerstand gegen diese Position, die nach Meinung der Kritiker das Land in die Isolation treiben würde. Der Ausschussvorsitzende für nationale Sicherheit und Außenpolitik, Mohsen Mirdamadi, sagte der studentischen Nachrichtenagentur ISNA, im Irak seien die nationalen Interessen Irans mehr berührt als in Afghanistan. Es sei dumm, auf Kosten eigener Interessen die Zusammenarbeit mit den USA zu verweigern. „Wenn wir nicht vorbeugend handeln, würden wir weiter zur ‚Achse des Bösen‘ gehören“, sagte Mirdamadi. Offenbar hat die Furcht, nächstes Kriegsziel der USA zu sein, aber auch die Chance größerer Einflussnahme nach einem Regimewechsel im Irak zur Revision der iranischen Position geführt.

Laut Washington Post haben sich Vertreter Irans Ende Januar an einem unbekannten Ort in Europa mit US-Diplomaten getroffen. Dabei hätten die Amerikaner Iran gebeten, im Kriegsfall bei der Suche und Rettung von US-Piloten zu helfen. Auch sei Iran aufgefordert worden, sich in Kämpfe nicht einzumischen und Oppositionellen, die sich nach Saddams Sturz gegen eine von den USA unterstützte Regierung wenden, keine Zuflucht zu gewähren. Die Reaktion der Iraner sei „ermutigend“ gewesen, so die Washington Post.

Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums dementierte das Treffen. Zu den in der Washington Post erwähnten Forderungen der USA äußerte er sich nicht. Iran werde bei einem Militärschlag gegen Irak aber auf eigene Interessen bedacht sein. Expräsident Haschemi Rafsandschani, der als mächtigster Politiker in Iran gilt, erklärte während seiner Predigt beim Freitagsgebet, die Position Irans zur Irakkrise sei klar. „Wir sind mit der Entwaffnung Iraks einverstanden, aber nicht mit dem Einzug der USA in die Region.“ Außenminister Charrasi ging noch weiter. Er sagte, Iran würde einen von der UNO beschlossenen Militärschlag gegen Irak nicht ablehnen.