Bin Laden spricht wie bestellt

Für die US-Regierung beweist ein vermutlich von Ussama Bin Laden stammendes Tonband die Verbindungen des irakischen Regimes mit dem internationalen Terrorismus. Doch Fragen bleiben unbeantwortet, auch das Timing gibt zu denken

aus Washington MICHAEL STRECK

Für die US-Regierung steht die Verbindung zwischen dem Terrornetzwerk al-Qaida und dem Irak nun endgültig fest. Ausgerechnet zwei Tage vor Beginn der entscheidenen Verhandlungen im UN-Sicherheitsrat über das weitere Vorgehen gegen Bagdad veröffentlichte der arabische TV-Sender al-Dschasira am Dienstagabend ein Tonband, in dem angeblich Ussama Bin Laden alle Muslime zur Verteidigung des Irak auffordert.

Während arabische Experten Zweifel an der Echtheit der qualitativ hochwertigen Aufnahme äußerten, waren sich US-Geheimdienste schnell einig, dass es „vermutlich“ die Stimme Bin Ladens sei. Die Botschaft des Sprechers bestand neben den üblichen Beschimpfungen der USA und US-freundlicher arabischer Regierungen aus Anleitungen an die Iraker zum Widerstand. So forderte er die Iraker zu Selbstmordanschlägen gegen Amerikaner auf. „Wir raten, den Feind in einen ermüdenden Kampf zu ziehen und dabei die Vorteile aus getarnten Positionen in Feldern, Bauernhöfen, Bergen und Städten zu nutzen“, empfahl er weiter. Denn der Feind fürchte sich vor einem Häuserkampf. Zudem solle man Afghanistans Beispiel folgen, wo sich Al-Qaida-Kämpfer erfolgreich verschanzt hätten, indem sie die US-Luftwaffe in die Irre führten.

Den aus ihrer Sicht schlagenden Beweis entnimmt die US-Regierung der Passage, in der der mutmaßliche Bin Laden zur Verteidigung Saddam Husseins und seiner so genannten sozialistischen Baath-Partei aufruft. Sie galten in den Augen Bin Ladens bisher als Ungläubige. „Unter diesen Umständen schadet es nicht, dass sich die Interessen von Muslimen und Sozialisten im Kampf gegen die Kreuzritter vereinen.“ Für US-Außenminister Colin Powell gibt es damit keine Zweifel mehr. Bin Ladens Worte zeigten, warum die Welt angesichts der Beziehungen des Irak zu Terroristen besorgt sein müsse. Der Terrorchef spreche zu den Irakern und betrachte sich als Partner Iraks. „Die Verbindung von Staaten, die Massenvernichtungswaffen herstellen, und Terroristen kann nicht länger ignoriert werden“, so Powell.

Es verwundert jedoch, dass Powell schon vor Veröffentlichung des Tonbands einem Kongressausschuss erklärt hatte, er habe ein Manuskript der Aufzeichnung „von Bin Laden oder jemandem, den wir für Bin Laden halten“, gelesen. Zu dieser Enthüllung und der Frage, wie die Abschrift in US-Besitz gekommen sei, äußerten sich weder Powell noch der Sprecher des Weißen Hauses. Auch eine andere Parallele überrascht. Am Dienstag mussten die Direktoren von CIA und FBI dem Geheimdienstausschuss des US-Senats Rede und Antwort stehen. Dort wussten sie zu berichten, dass al-Qaida sowohl im Iran als auch im Irak operiere. Damit bekräftigten sie Vorwürfe, die Powell vergangene Woche im UN-Sicherheitsrat erhoben hatte. Beweise legten sie nicht vor.

Die Drohungen des angeblichen Bin-Laden-Tonbands haben zusammen mit den Warnungen von CIA und FBI vor neuen Anschlägen in den USA die ohnehin nervöse Bevölkerung weiter verunsichert. Bereits am Wochenende waren Geheimdienstinformationen bekannt geworden, dass al-Qaida Angriffe auf US-Städte mit biologischen, chemischen oder radioaktiven Kampfstoffen plane. Darauf wurde die nationale Alarmbereitschaft auf die zweithöchste Stufe angehoben. In den Innenstädten von New York, Washington oder San Francisco, die als mögliche Ziele gelten, patrouillieren seither deutlich mehr Polizisten. Nationale Denkmäler wurden geschlossen, Kontrollen an den Grenzen verstärkt. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, sich für den „Tag X“ zu rüsten und Notpakete im Haushalt bereitzuhalten.