Kleiner Sieg im Biotech-Krieg

Vor dem Europäischen Patentamt unterliegt DuPont mit dem Versuch, sich alle Maissorten mit mehr als 6 Prozent Öl und über 55 Prozent Ölsäure patentieren zu lassen. Patentamt bestätigt Mais-„Neuheit“, weist aber Folgeansprüche ab

von JULIANE VON MITTELSTAEDT

Als Piraten noch zur See fuhren und Schiffe kaperten, war es einfacher, ihnen auf die Schliche zu kommen. Heute beantragen sie Patente und leisten sich einfallsreiche Anwälte. Von Biopiraten hört und sieht man nichts, während sie das Schiff der Moderne entern: die Natur.

Wie bei allen Manövern auf hoher See geht auch im leisen Patentbetrieb manchmal etwas schief. Wenn jemand aufpasst. Und Einspruch einlegt. Dann wird der leise Patentbetrieb plötzlich öffentlich, wie beim Europäischen Patentamt (EPA) in München, wo gestern der Einspruch der mexikanischen Regierung, von Misereor sowie Greenpeace gegen den US-amerikanischen Konzern DuPont verhandelt wurde.

Es ging nur vordergründig um Mais. Dahinter steht ein Marktmonopol für den einen, das Prinzip „Kein Patent auf Leben“ für die anderen. Im August 2000 hatte das EPA dem Biotech-Riesen DuPont das Patent EP 744888 bewilligt. Und damit einen Bioklau sondergleichen: Das Patent umfasst alle Maispflanzen, deren Körner mehr als 6 Prozent Öl und mehr als 55 Prozent Ölsäure enthalten. Zucht, Aussaat, Verarbeitung, Vermarktung und – der Clou – noch gar nicht existierenden Sorten sind ebenfalls geschützt. Von Margarine über Hühnerfutter bis zum Steak reicht das Patent. Reichte. Zwar bestätigte das EPA nun die „Neuheit“ des biotechnologisch veränderten Maises, entschied aber, dass das Patent nur für mit dem DuPont-Verfahren hergestellten Hochölmais gelte. Die vom Konzern geforderten Folgeansprüche wies das EPA als zu weit gehend ab.

Ohne den Einspruch wären die unberechtigten Patentansprüche aufrechterhalten worden, hätte der weltweit größte Saatgutanbieter über ein weiteres Monopol verfügt. Mit verheerenden Folgen: Lizenzgebühren, Kontrolle, Vermarktungsrechte.

Die Bauern hätten zahlen müssen für etwas, was sie längst anwenden. Natürliche Maissorten mit ebenso hohem Ölgehalt existierten bereits und könnten konventionell gezüchtet werden, meint Misereor-Mitarbeiter Bernd Nilles. Eine Neuheit? „Bei allem intellektuellen Einsatz von DuPont handelt es sich doch immer nur um eine Entdeckung und nicht um eine Erfindung“, kommentiert Christoph Then, Patentexperte bei Greenpeace. „Schließlich hat DuPont den Mais nicht erfunden.“ Bislang hat der Rekordhalter bei Anträgen auf Pflanzenpatente aber recht erfolgreich „entdeckt“. 250 Gensequenzen hat DuPont bislang zur Patentierung vorgelegt. 39 davon wurden bewilligt.

Multis wie DuPont beherrschen mit kommerziellem Saatgut bereits viele Regionen der Welt fast vollständig und schlagen daraus kräftig Profit – während die einheimische Bevölkerung leer ausgeht. Züchterische Vorleistungen und traditionelles Wissen werden nicht vergolten. „Ein Milliardendiebstahl“, argwöhnt Misereor-Mitarbeiter Nilles. Die Strategie von DuPont, sich systematisch exklusive Rechte an Pflanzensorten zu verschaffen, ist kein Einzelfall. Der Saatgutmarkt ist schließlich ein boomendes Geschäft: Den Ländern des Südens entgehen durch diese Form des „Biokolonialismus“ jährlich etwa 15 Milliarden Euro an Lizenzgebühren. Obwohl das 1992 in Rio beschlossene und 1994 in Kraft getretene Abkommen über die Artenvielfalt den Staaten Besitz und Vermarktungsrechte auf ihre Naturressourcen zugesteht. Während sich 90 Prozent der biologischen Vielfalt in der so genannten Dritten Welt befinden, verfügt diese über weniger als 5 Prozent der Biopatente. Und wie sich der peruanische Maisbauer seine angestammte Sorte patentieren lassen könnte, das hat ihm bislang auch noch niemand erklärt.