Freispruch für Motassadeq verlangt

Verteidigung erhebt in Schlussplädoyers Vorwürfe gegen Hamburger Gericht: Der wichtigste Zeuge sei nicht gehört worden. Der Angeklagte selbst beteuert seine Unschuld. Er sei an den Anschlagsplänen vor dem 11. September nicht beteiligt gewesen

aus Hamburg ELKE SPANNER

Im Hamburger Prozess um die Anschläge des 11. September 2001 hat die Verteidigung nicht nur einen Freispruch für ihren Mandanten Mounir al-Motassadeq verlangt. Alternativ beantragte Rechtsanwalt Hartmut Jacobi gestern, den Prozess vor dem Hamburgischen Oberlandesgericht (OLG) einzustellen. Ein faires Verfahren gegen Motassadeq sei nicht möglich, sagte er in seinem Schlusswort, weil der Hauptzeuge Ramsi Binalshibh nicht gehört werden konnte und das OLG nichts unternommen hätte, um dessen Aussagen vor den Sicherheitsbehörden der USA zumindest im Prozess verlesen zu können. Stattdessen habe es Sperrerklärungen des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskanzleramtes akzeptiert, die bei Herausgabe der Akten eine Gefährdung der diplomatischen Beziehungen der Bundesrepublik fürchteten.

Bei seiner Rüge wird Jacobi vom Bundesverwaltungsgericht unterstützt. Dort hatte er eine juristische Herausgabe der Aussagen Binalshibhs zu erzwingen versucht. Das oberste Verwaltungsgericht lehnte ab – unter Verweis darauf, dass insoweit zunächst das OLG tätig werden müsste und es „an einem Ersuchen des Oberlandesgerichtes an den Bundesnachrichtendienst oder das Bundeskanzleramt um Aktenübergabe fehlt“.

Die Ankläger der Bundesanwaltschaft hatten vorige Woche eine 15-jährige Haftstrafe für Motassadeq gefordert. Vorwurf: Mitgliedschaft in der „terroristischen Vereinigung“ um Atta und Beihilfe zum 3.045-fachen Mord.

Den Antrag auf Freispruch begründeten die Verteidiger damit, dass Motassadeq die Attentatspläne der Todesflieger um Mohammed Atta nicht gekannt und folglich auch nicht unterstützt hätte. Die Anklage würde sich allein auf „Vermutungen, Spekulationen, Interpretationen von Verhaltensweisen stützen“, so Anwalt Hans Leistritz. Sein Kollege Jacobi ergänzte, dass „allein die Kontakte und Gesinnung des Angeklagten dazu führen sollen, ihn zu überführen“.

Motassadeq selbst beteuerte in seinem letzten Wort erneut, nichts von den Attentatsplänen seiner Freunde gewusst zu haben. Dass Menschen, die er persönlich kannte, so eine „Katastrophe“ verursacht hätten, sagte Motassadeq, „begreife ich bis heute nicht“. Das Urteil wird nächsten Mittwoch verkündet.