Die Debatte um Joe, den Klempner

In der dritten und letzten Fernsehdebatte vor der US-Präsidentschaftswahl macht John McCain eine bessere Figur als vorher. Doch alle Blitzumfragen sehen erneut Barack Obama als Sieger einer lebendigen Diskussion über Steuer- und Sozialpolitik

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Einem Mann hat das dritte und letzte TV-Duell der US-Präsidentschaftsanwärter John McCain und Barack Obama in der Nacht zum Donnerstag auf jeden Fall zum Durchbruch verholfen: Joe Wurzelbacher, Klempner aus Ohio. Der hatte am vergangenen Sonntag bei einem Wahlkampfauftritt Obamas dem Kandidaten ins Gesicht gesagt, dass dessen Steuerpläne für ihn, den Klempner, mehr Steuern bedeuteten. Daher werde er nicht, wie er es eigentlich vorhatte, die Firma kaufen, in der er schon lange arbeite. Obama hindere ihn daran, den amerikanischen Traum zu verwirklichen. Die Szene wurde vom konservativen Fernsehsender Fox News eingefangen und gesendet, weshalb es in der Nacht zum Donnerstag auch nur wenige Minuten bedurfte, um den nun berühmten Otto Normalverbraucher à la Americaine ausfindig zu machen.

Von allen TV-Sendern sofort bestürmt, sagte Wurzelbacher nach der Fernsehdebatte, er sei total baff, genannt worden zu sein. Aber McCain habe seinen Standpunkt ganz gut zum Ausdruck gebracht. Wen er am 4. November wählen will, wollte er der Welt aber nicht sagen. „Das ist allein meine Sache.“

Das Duell war McCains Chance, das Ruder noch mal entscheidend in seine Richtung zu reißen. Denn für den 72-Jährigen sieht es nicht gut aus: Laut jüngsten landesweiten Umfragen liegt McCain knapp drei Wochen vor der US-Wahl am 4. November bis zu 14 Prozentpunkte hinter Obama zurück. Entsprechend angespannt und reizbar wirkte der Senator aus Arizona, während Obama auch bei diesem – im Vergleich zu den vorangegangenen beiden TV-Duellen – wesentlich härteren Schlagabtausch fast emotionslos schien. Obama lächelte zwischendurch lediglich vor sich hin, wenn McCain versuchte, ihn zu provozieren.

Beide Senatoren warfen sich gegenseitig eine falsche Wirtschafts-, Bildungs- und Steuerpolitik vor. Um Obamas Steuermodell für die Mittelklasse zu demontieren, schaute McCain plötzlich direkt in die Kamera: „Joe, ich will dir sagen, ich werde dir nicht nur helfen, das Geschäft zu kaufen, in dem du dein ganzes Leben gearbeitet hast. Ich werde auch deine Steuern niedrighalten, und ich werde für dich und deine Angestellten eine bezahlbare Gesundheitsversorgung ermöglichen.“

Wie angekündigt, wiederholte McCain in der Debatte tatsächlich seine seit Wochen gegen Obama in TV-Spots formulierten Vorwürfe. Darin wirft die McCain-Kampagne Obama vor, Beziehungen zu dem militanten Vietnamkriegsgegner William Ayers zu pflegen. Ayers, heute Soziologieprofessor, soll in den 60er-Jahren Bombenattentate in den USA geplant und ausgeführt haben. Obama wies darauf hin, dass er acht Jahre alt gewesen sei, als Ayers seine Untergrundaktionen ausgeführt habe. Seine Kontakte zu Ayers seien dergestalt, dass er gemeinsam mit ihm im Beirat einer Bildungsinitiative gesessen habe, die von einer republikanisch orientierten Organisation gesponsert worden sei. Obama warf McCain vor, von den eigentlichen Themen ablenken zu wollen: „Die Tatsache, dass dies in Ihrem Wahlkampf so eine wichtige Rolle einnimmt, sagt mehr über Ihren Wahlkampf aus als über mich.“

McCain wies seinerseits den gebetsmühlenartig wiederholten Vorwurf der Demokraten von sich, die verfehlte Politik von Präsident George W. Bush weiterführen zu wollen. „Ich bin nicht Bush“, sagte McCain schroff, und es klang wie ein Satz, den er schon länger unterbringen wollte. „Wenn Sie gegen Präsident Bush wahlkämpfen wollen, dann hätten sie vor vier Jahren antreten sollen“, raunzte McCain. Ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen wiederholte Obama noch ein paar Mal, dass McCain in Schlüsselfragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik immer mit Bush gestimmt habe.

Im Verlauf des meist recht trockenen Hin und Hers verlor McCain nach dem ersten Drittel Frische und Selbstbeherrschung. Immer öfter schnitt er Grimassen und ließ seine Angespanntheit erkennen. Erste Blitzumfragen von US-Sendern sahen wie in den vorangegangenen TV-Duellen auch, wieder Obama als Sieger. Bei CNN sagten 58 Prozent der Befragten, Obama habe sich besser geschlagen, nur 31 Prozent sagten dies über McCain. Die Umfrage des Senders CBS sah Obama sogar mit 53 zu 22 Prozent als Gewinner.

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