Balanceakt mit dem letzten Optimismus

Alba verliert gegen Barcelona mit 66:80 und scheidet das zweite Mal in Folge in der Champions-League-Vorrunde aus. Nicht nur auf europäischer Ebene ist das Team endgültig Mittelmaß, doch offen wollen das nur wenige im Verein sagen

Keine fünf Minuten nach Spielende waren die Europaliga-Aufkleber vom Parkett entfernt. Ein paar Helfer klaubten sie vom Hallenboden. Die Folien werden nicht mehr gebraucht, jedenfalls nicht in dieser Saison. Alba Berlin ist aus der Europaliga ausgeschieden. Das stand freilich schon vor dem Spiel gegen den FC Barcelona fest, das die Berliner mit 66:80 am Mittwochabend deutlich verloren. Alba erreichte nur den vorletzten Platz in der Vorrundengruppe A und scheiterte wie schon im Vorjahr. Es war ein unrühmliches Ende der viel zu kurz geratenen Europaliga-Saison. Trainer Emir Mutapcic wollte trotz der Bilanz von vier Siegen und zehn Niederlagen nicht schwarz sehen. Er sei durchaus zufrieden mit der Leistung seines Teams, sagte der Bosnier.

„Wenn man den Zustand unserer Physis betrachtet, dann war ich mit der Intensität des Spiels zufrieden“, sagte Mutapcic, „wir haben im Saisonverlauf auch Qualität angeboten“. Alba müsse jetzt an seiner Balance arbeiten und in die Zukunft schauen. Dort warten Bundesliga-Spiele und der Pokal. Das heißt für Mutapcic: „Weiter trainieren, demnächst in Oldenburg gut spielen und gewinnen.“

Es hätten auch ZSKA Moskau, Benetton Treviso oder Panathinaikos Athen sein können, europäische Spitzenteams, deren Niveau Alba derzeit aber nicht erreicht. Im gesamten Spiel gegen den FC Barcelona versenkte Alba nur einen einzigen Dreier. Die Freiwurfquote erreichte einen traurigen Tiefstand (55 Prozent), über die gesamte Spielzeit wirkte der deutsche Meister chancen-, bisweilen sogar ratlos. Leistungsträger wie Marko Pesic und Mithat Demirel tauchten ab. Henrik Rödl verletzte sich früh. Einzig Center Jovo Stanojevic (30 Punkte) und De Juan Collins (14) hielten dagegen.

Die Stars des FC, von Bodiroga bis Fucka, hatten mit den Berlinern leichteres Spiel als zuletzt in der spanischen Liga gegen No-Names. „Wir spielen nicht besonders“, sagte Svetislav Pesic fast schon provozierend, „aber wir gewinnen die Spiele.“ Der Barcelona-Coach plant für das Final Four. Von diesem Ziel ist Alba Berlin weit entfernt, weshalb Präsident Dieter Hauert seinen Unmut erregt kundtat. Alba habe sich weit unter Wert verkauft, schimpfte er. „Ich lasse nicht gelten, dass man nicht kämpft und Freiwürfe verschießt.“ Und weiter: „Ich kann im Moment keinen Leitwolf entdecken, der die Mannschaft führt.“ Früher sei das Wendell Alexis gewesen, doch jetzt herrschten unklare Verhältnisse im Team.

Unlängst vergab Hauert das Prädikat Mittelmäßigkeit an Alba – so weit wollte Vizepräsident Marco Baldi am Mittwochabend nicht gehen; solch eine Zuschreibung untergrabe das Selbstbewusstsein. „Ich will nicht sagen, dass wir damit zufrieden sind, wenn wir gegen Barcelona verlieren, aber eine Schmach oder Katastrophe ist es sicher nicht“, sagte Baldi. Die „Tiefe und Qualität“ von Europas Topteams fehle Alba, schon allein ob des weit geringeren Etats. „Mit Geld geht es einfacher, aber Alba hat das immer kompensieren können.“ Mit Teamgeist, besonderem Kämpferherzen und klugem Defensivspiel. Es dürfe nicht so weit kommen, dass der Klub nun seine Ansprüche senkt. „Alba darf nicht eine Mannschaft werden, die sagt: ‚Na ja, eigentlich wäre es ein Wunder, wenn wir gewinnen.‘ Auf dieses Gleis dürfen wir nicht geraten.“

Um jedoch ganz vorn mitzuhalten, muss Alba ein äquilibristisches Kunstück gelingen – die Balance auf dem schmalen Grat des eigenen Optimums. Dazu braucht es Glück, gesunde Spieler und ein funktionierendes Spielsystem. Stockt es in einem Teil der anspruchsvollen Übung, verliert Alba an Konkurrenzfähigkeit. So geschehen in dieser Europaliga-Saison. Das Optimum stellte sich nie ein. Nie trat Alba in Bestbesetzung an. Verletzungen häuften sich. Die kämpferische Kompaktheit alter Zeiten fehlte. Die Abgänge von Alexis, Koturovic, Phelbs und Zidek waren offenbar schwerer zu verkraften als gedacht. Das räumte auch Mutapcic ein. Seine Aufgabe ist nun, am Optimum zu arbeiten. Auch in der Bundesliga steht ein schwieriger Balanceakt bevor. MARKUS VÖLKER