Sachzwang Koalition

Im Koalitionsausschuss bemühen sich SPD und Grüne, ihren Zwist zu lösen. Ankündigung: Alle zwei Monate ein neues Paket zur „Entbürokratisierung“

von HANNES KOCH

Nichts Besonderes, nur ein Routinetermin. Und der sei vor geraumer Zeit vereinbart worden. So verkauften grüne Spitzenpolitiker die Zusammenkunft mit Gerhard Schröder und seinen Getreuen, bevor sie am Mittwochabend ins Bundeskanzleramt marschierten. Im Koalitionsausschuss saßen die 16 Spitzen von SPD und Grünen anderthalb Stunden zusammen, speisten, beschäftigten sich „kurz“ mit dem Irakkonflikt und erläuterten hinterher die sachdienliche Atmosphäre – eine Bestätigung der vorher ausgegebenen Marschrichtung. Die grüne Fraktionsvorsitzende Krista Sager hatte sie so formuliert: „Zentrifugale Tendenzen innerhalb der Koalition gibt es nicht.“

Weil in den Wochen zuvor Missstimmungen jedoch kaum zu verbergen waren, hatte diese erste Koalitionsrunde nach dem Landtagswahl-Debakel vom 2. Februar eine spezielle Bedeutung: Konfliktbewältigung in Zeiten höheren Drucks von außen.

Hatte nicht das Verhältnis zwischen Schröder und seinem Außenminister Joschka Fischer sichtbar gelitten – bedingt durch offenbar unterschiedliche Nuancierung bei der Einschätzung der Irakfrage? Schröder und Fischer erklären sich ihre Ansichten oft genug via Spiegel. Der Außenminister gab zum Missfallen des Kanzlers ein Interview, indem er eine Legitimation von Waffengewalt gegen den Irak durch die bereits verabschiedete UN-Resolution 1441 insinuierte. Schröder revanchierte sich durch die offenbar nicht abgesprochene Zuspitzung seiner Position auf dem Marktplatz von Goslar und durch die Veröffentlichung eines angeblichen Geheimplans für eine Blauhelm-Mission im Irak.

Um Druck aus dem Topf zu lassen und nach außen weniger Angriffsfläche zu bieten, haben sich die Koalitionäre nunmehr eine Sprachregelung zurecht gelegt. Demnach existiert keine Arbeitsteilung zwischen dem Kanzler und seinem Außenminister. Die Beobachtung, Schröder sei als populistischer Innenpolitiker erstens für sich selbst, zweitens für Deutschland, drittens vielleicht noch für Frankreich zuständig, Fischer hingegen für den Rest der Welt, das gute Verhältnis zu den USA und die Einbindung in die Nato, sei falsch. Keinesfalls existiere eine „kalkulierte Arbeitsteilung“ zwischen Fischer und Schröder – höchstens noch könne man die beiden Politikansätze als zwei Seiten derselben Medaille beschreiben.

Beim zweiten Quell des Haders versuchten sich die Koalitionäre mit Verabredungen zum Verfahren zu retten. Um die unkontrollierte Einflussnahme der Opposition auf einen der beiden Regierungspartner zu minimieren, wurde ein gemeinsames Gremium eingesetzt, das bis zum Sommer einen Reformplan zum Arbeitsmarkt ausarbeiten soll. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) versprach als Zeichen in Richtung Grün, alle zwei Monate ein neues Maßnahmenpaket zur Entbürokratisierung der Wirtschaft herauszubringen. Erstmals soll das Ende Februar passieren.

Ebenfalls bis „zum Sommer“ wollen Rote und Grüne wissen, wie ihr gemeinsamer Weg bei der Reform der Sozialsysteme aussieht. Erst danach wird mit der Union verhandelt – und nicht vorher, wie es Kanzler Schröder unlängst in seinem Gespräch mit Oppositionsführerin Angela Merkel praktizierte.

Von der Konfliktbefriedung im Detail abgesehen, hatte das rot-grüne Treffen einen wesentlichen Sinn schon nach den ersten Sätzen Schröders erreicht. Das Gerede über eine große Koalition mit der Union sei „Blödsinn“, stellte er fest. Oder, wie es ein Grüner zusammenfasste: „Schröder und Fischer sind aufeinander angewiesen. Sonst wäre der eine nicht Kanzler, der andere nicht Außenminister.“