Grabungsgrund Airbus

Finkenwerder Werkspiste wird über uralte Wurt hinweggebaut. Archäologen wollen sie vorher angraben. Sie hoffen, Rückschlüsse auf das Alter des Alten Landes ziehen zu können

von GERNOT KNÖDLER

Bevor das Alte Land durch Airbus mit einer neuen zivilisatorischen Schicht überzogen wird, wollen Archäologen des Harburger Helms Museums die vorhandenen Reste nach der Geschichte des Alten Landes befragen. Sie erhalten dazu Gelegenheit, weil der Senat gestern ein Haus abreißen ließ, das in der Einflugschneise für die Werkspiste liegt und der bereits beantragten Pistenverlängerung im Wege steht. Das Haus befand sich auf einer Wurt (Warft), die nach Schätzungen der Archäologen aus dem elften Jahrhundert stammen könnte. Das Bündnis für die Elbregion bezeichnete den Abriss des ersten Hauses von Neuenfelde für Airbus als Drohgebärde. „Der Abriss soll demonstrieren, dass die Stadt sich über alle Rechte hinwegzusetzen gedenkt“, erklärte das Bündnis.

Wurten stehen nach Angaben der Wirtschaftsbehörde unter Denkmalschutz. Würde die Airbus-Piste nicht über sie hinweg gebaut, ließen die Archäologen die Finger von der Wurt auf dem Grundstück Rosengarten 42. „Die Bodendenkmalpflege ist da, um das Denkmal zu erhalten, nicht, um es zu zerstören“, sagt die Archäologin Elke Först vom Helms Museum. Grabungen aus reiner Neugier verböten sich von alleine. Zumal es so viele tief reichende Baustellen in Hamburg gebe, dass sie und ihre Kollegen mit der Dokumentation der dabei auftretenden Funde gar nicht hinterher kämen.

Die Archäologin hat sich im Voraus keine Theorie gebastelt, die die Funde aus der Wurt bestätigen sollen. „Warten wir ab, was kommt“, sagt sie. Für die Forscher ist das Aufgraben ein Blick in die Geschichte. „Die ganze Entwicklung der Region kann man daran ablesen“, sagt Först. Die Archäologen wollen klären, wie die Häuser aussahen, die auf der Wurt errichtet wurden. Dabei sind sie auf gut erhaltene Holzstücke und Reste von Gebrauchsgegenständen angewiesen. Anhand der Jahresringe können sie Grabungsschichten zeitlich einordnen. Sie grüben nach „archäologischen Baubefunden“, betont Först. „Wir sind nicht dazu da, die Museen mit weiterem Fundmaterial zu füttern.“

Ähnlich aufschlussreich wie die Untersuchung der Wurt könnte die Analyse des Rosengarten-Deichs werden, der für die Pistenverlängerung durchstochen werden muss. „Wir hoffen einen mittelalterlichen Deichkern zu finden“, sagt Försts Kollege Wulf Thieme. Der Rosengarten-Deich stammt nach Angaben der Staatlichen Pressestelle aus dem zwölften Jahrhundert. Der Koog, den er umschließt, ist wohl der älteste im Alten Land.

Das Schutzbündnis für Hamburgs Elbregion bezeichnete die staatlichen Dokumentationsbemühungen als blanken Hohn: „Die Hamburger Bevölkerung soll von der Zerstörung des Dorfes Neuenfelde abgelenkt und in Sicherheit gewiegt werden, dass hier alles seinen ordnungsgemäßen Gang geht.“ Die Landebahnverlängerung werde auf jeden Fall die alten Siedlungsreste unter sich begraben. In den Augen der Archäologen schlummern sie dort und warten auf das Interesse künftiger Generationen.