Wecker und Ratlosigkeit

Weniger Gegenstände des Alltagsgebrauchs als Kommentare zum Lebensgefühl einer Generation: Das Museum für Kunst und Gewerbe stellt die Produktvorschläge israelischer Designstudenten aus

von MARC PESCHKE

Was für ein schönes Brautpaar: Er trägt einen salopp geschnittenen Anzug aus marineblauem Baumwollstoff, sie ein olivfarbenes Brautkleid mit Tarnapplikationen. Als Trauzeuge hat sich der Bräutigam gleich einen Freund mit Maschinengewehr an die Seite gestellt. Was die israelische Designerin Carren Arman als Phantasieuniform geschneidert hat, Hochzeitskleider aus alten Militärjacken, ist kein Fake, sondern bluternster Militärschick – und gehört zu den Kommentaren junger israelischer Designer zum Lebensgefühl einer Generation zwischen Selbstmordattentaten und Vergeltungsschlägen.

Den besten der jetzt im Museum für Kunst und Gewerbe vorgestellten Arbeiten der Fachbereiche Industriedesign, Keramik, Glas, Accessoires und Mode der Jerusalemer Bezalel Academy of Arts and Design sieht man an, dass sie aus einer Situation heraus enstanden sind, die durch Gewalt geprägt ist. Doch wenn der Titel der Ausstellung Design trotz allem den Nahostkonflikt zum Ideengeber einer ganzen Generation junger Designer macht, so scheint das übertrieben: Viele der ausgestellten Arbeiten – Möbel, Geschirr, Besteck, Schmuck und Mode – schreiben sich ganz unspektakulär ein in die europäisch und nordamerikanisch dominierte Designgeschichte.

Doch bei viel Durchschnittlichem, ein paar technischen Neuerungen und einigen Designgags sind es genau jene Entwürfe, die Krieg und Gewalt zum Ausgangspunkt machen, welche uns genauer hinschauen lassen. Die schwer bewaffneten, patrouillierenden israelischen Soldaten, die Panzer und Maschinengewehre, die Armut in den Vierteln der Palästinenser, das Niemandsland der abgesperrten palästinensischen Städte, Festnahmen, Straßensperren und Razzien haben viele der Designer ratlos gemacht.

Manche flüchten in Altbekanntes, zitieren japanische Keramik oder italienische Designstars der sechziger und siebziger Jahre, um dann doch Entwürfe für die Welt zu schaffen, die sie umgibt: Ein Wecker etwa von Tomer Sapir hat einen riesigen roten Druckknopf und sieht so aus, als würde er nicht nur lautstark klingeln, sondern als könne er eine Atombombe zünden. Ariel Strykowski hat gleich daneben ein Ledersitzkissen in Form einer Tellermine genäht.

Die Frage, ob Israelis und Palästinenser friedlich zusammenleben können, lässt sich heute kaum mehr beantworten. Doch die israelischen Designer haben sich auf das Schlimmste vorbereitet. Noam Bernstein hat etwa eine Gasmaske für die zivile Nutzung gestaltet. Vor allem hat sie den Vorteil, bequemer getragen werden zu können. Für den Fall, dass die Funktionstüchtigkeit unter dem Primat des guten Designs leiden sollte, hat eine andere Designerin bereits schwarze Ganzkörperkleider mit Reißverschluss entworfen. Sie eignen sich zum Verstecken, tod oder lebendig.

Es ist vor allem bittere Ironie, die hinter vielen der im Forum Gestaltung gezeigten Entwürfe schillert. Dass dabei Objekte entstehen, die sich nicht als Produktdesign, sondern als freie, plastische Arbeiten präsentieren, liegt nahe. Einige könnten in Galerien wunderbar als packende künstlerische Einwürfe inszeniert werden. Das irreale Potenzial von Tod und Gewalt scheint Realitätssinn glücklicherweise nicht immer zu fördern. Und so ist es auch nicht die im Faltblatt zur Ausstellung gelobte „Dienlichkeit am Menschen“, welche die besten Entwürfe der Schau auszeichnet, sondern ihr phantasiereiches, utopisches Denken. Knautschige Maschinengewehre im Mustermix oder ein fragiler Brustpanzer aus Keramik scheinen jedenfalls kein schlechter Anfang zu sein für eine friedliche Lösung.

Di–So 10–18 Uhr, Do bis 21 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe; bis 18. Mai