vorlauf
: Der Megastecher

„Casanova“, 20.15 Uhr, Sat.1

Er ist ein junger Mann, der vor allem Angst vor Langeweile hat und sich deswegen auf allerlei Abenteuer einlässt. Zum ersten Mal verliebt, vermutet er in diesem Gefühl sein Lebensziel: Giacomo Casanova. Jede Frau, die er sieht und die in ihm erotische Regungen auslöst, erntet heiße Liebesversprechen und Ewigkeitsschwüre. Casanova rempelt durchs Leben, verletzt nicht nur die Frauen, sondern auch gehörnte Ehemänner, die treue Schwester und Freunde.

Bei der deutsch-französisch-italienischen Zusammenarbeit von Sat.1, France 2 und Tangram kam ein Fernsehfilm heraus, der zwar durchaus Eindrücke aus dem 18. Jahrhundert vermittelt, sich aber nicht durch einfallsreiche Kameraarbeit oder pointierte Dialoge aus der Masse von Fernsehfilmen hervortut. Vor allem mangelt es an Nähe zur Person Casanova, er bleibt über beide Teile hinweg latent unsympathisch. Und die Zuschauer bekommen keine Möglichkeit, etwas mehr über den Soldaten, Spion, Diplomaten, Abenteurer, Philosophen und Schriftsteller Casanova zu erfahren. Er gilt allgemein als durchaus kluger Mensch, der durch Charme, Intelligenz und Eloquenz seine Mitmenschen, vor allem die weiblichen, für sich einnehmen konnte. Doch in dieser Produktion scheint er vor allem eitel, überheblich und zeitweilig einfältig. Zum Teil mag es an den Dialogen liegen, in denen sich Casanova auf unglaubwürdige Liebesschwüre und herbeizitierte Weisheiten beschränkt. Zum anderen liegt es auch an der Besetzung, denn Stefano Accorsi ist eher ein mittelattraktives Jüngelchen als ein Mann, der durch Charisma und Sexappeal betört. Vor allem zwei Figuren machen die Schwäche Casanovas/Accorsis klar: de Bernis (Thierry Lhermitte), dem Casanova das Leben rettet, woraufhin er adoptiert und gefördert wird. Und seine Schwester Manon (Christiana Capotondi), die ihn vor seinem liederlichen Lebenswandel warnt. Beide verkörpern ihre Rollen weitaus glaubwürdiger als Accorsi den Casanova.

Wer Kostümen, dramatischer Musikkulisse und Sexszenen nicht abgeneigt ist, soll sich die Sat.1-Variante anschauen. Alle, die etwas über den Menschen wissen wollen, lesen besser „Aus meinem Leben“ von Giacomo Casanova persönlich.

SUSANNE KLINGNER