Schröders drei Verdienste

betr.: „Ohne Rücksicht auf das Grundgesetz“ (die cdu will den krieg), Kommtar von Bettina Gaus, taz vom 13. 2. 03

Es ist und bleibt momentan ein wohlfeiles Hobby unserer journalistischen Elite von taz bis FAZ, auf Gerhard Schröder einzuschlagen und ihm „schwere Fehler“ und Unprofessionalität vorzuwerfen. […]

Aber ist es nicht eher so, dass die nationale und internationale politische „Elite“ sowieso zur Zeit maßlos überfordert ist von dieser ganzen Angelegenheit? Man nehme etwa mal Tony Blair, der so gerne Winston Churchill wäre, uns aber nur mit frisierten Dossiers versorgt und ansonsten überhaupt keinen Spielraum mehr hat. Ähnliches gilt für Chirac, der den großen Zampano mimt und Weltmacht spielt (wobei ihm Schröder den Rücken frei hält und die Prügel einsteckt) und sich doch unglaublich blamieren wird, wenn er noch umfällt. Die osteuropäischen Länder haben sich in einer Reflexreaktion wieder als Satelliten geoutet, Aznar hat sein Außenministerium de facto abgeschafft, die Skandinavier verstecken sich hinter der UNO, und die deutsche Opposition will geradezu panikartig pünktlich nach den Wahlen noch auf den Kriegszug aufspringen, um nur ja nicht zurückgelassen zu werden. Diese Überforderung und Unprofessionalität ist ganz besonders bei der amerikanischen Regierung zu bemerken, die sich mangels angemessener Argumente immer mehr so äußert, als ginge es darum, einen Lynchmob zu organisieren, und ansonsten gar nicht mehr unter Kontrolle hat, was sie losgetreten hat.

Der wahre Skandal liegt ja gerade hierzulande darin, dass ein deutscher Kanzler, der sich noch nicht dieser schon in vielen Köpfen steckenden Kriegslogik unterwirft, dafür noch permanent Schläge einstecken muss. Schröder darf sich drei Verdienste zugute halten, auch wenn das viele Möchtegern-Weltpolitiker nicht wahrhaben wollen oder können. Zuallererst hat er das Deutungsmonopol der altbekannten strategic community unterlaufen in Anerkenntnis der Tatsache, dass ein demokratischer Staat keinen Krieg ohne Rückhalt in der Bevölkerung führen kann. Zweitens hat er mit seiner Ablehnung einer kriegslegitimierenden Resolution vor der entscheidenden Sitzung des Sicherheitsrates – was ihm ja oft genug als Fehler angekreidet wurde – öffentlich zur Kenntnis gebracht, dass er eine eventuelle Kriegsresolution als illegitim ansiehen würde. Einen solchen Sprengsatz hat bisher noch kein Beteiligter auf die Bühne geworfen und ich verstehe nicht, warum das bisher kaum entsprechend gewürdigt wurde. Damit nimmt er im Grunde genommen allen Beteiligten die Möglichkeit, sich hinter der UNO zu verschanzen und sich die Hände in Unschuld zu waschen. Dass ihn das gerade in Europa nicht beliebter macht, sollte ihm wohl klar gewesen sein. Und drittens hat Schröder entgegen allen Erwartungen schlicht und einfach Rückgrat gezeigt. Dafür hat er zumindest meinen Respekt.

JÜRGEN KLOSS, Hennef