DIE UNION WILL MIT IHRER VERKEHRSPOLITIK ZURÜCK IN DIE SIEBZIGERJAHRE
: Verbände kommen unter die Räder

Der Transrapidbauer in Schanghai kann einfach Häuser wegrasieren – ohne lästiges Murren der Bürger. Das wollen wir auch, dachten sich wohl die unionsgeführten Länder und setzten sich gestern gleich mit zwei Anträgen im Bundesrat durch. Danach soll das Klagerecht von Verbänden im Bundesnaturschutzgesetz beschnitten, der Bau von Verkehrsprojekten beschleunigt und sollen Einspruchsrechte eine Farce bleiben. Wegen der neuen Mehrheitsverhältnisse in Bundesrat und Vermittlungsausschuss stehen die Chancen der Union gut, dass die Bundesregierung die Verkehrspolitik auf den Stand der 70er-Jahre zurückfahren muss.

Statt die Planung gigantischer Verkehrsprojekte demokratisch zu gestalten, wollen CDU und CSU sie künftig wieder von oben durchpeitschen. Schnell muss es gehen, für den wirtschaftlichen Aufschwung, vor allem im Osten. Als hätten die letzten Jahre nichts anderes gelehrt, glauben an diesen Zusammenhang nicht nur viele in der Union, sondern auch in der SPD. Allen voran Verkehrsminister Manfred Stolpe. Genau wie die Union unterliegt er dabei aber einem Irrtum. Umweltverbände klagen nicht zum Spaß. Das wäre zu teuer. Sie prüfen, ob etwa ein Einspruch gegen die Autobahntrasse vor den Gesetzen Bestand hat. Der Erfolg spricht für sie: Sie gewinnen ein Drittel ihrer Verfahren, das liegt weit über der Quote anderer Kläger vor Verwaltungsgerichten.

Die Mitbestimmung ist eine Frage von Demokratie, vor allem aber von Wirtschaftlichkeit. Die Planungen werden nicht langsamer, im Gegenteil: Sie werden effizienter und schneller. Die Verbände bewahren Behörden kostenlos vor Fehlern im komplizierten Umwelt- und Planungsrecht. Allein die Drohgebärde der Klage wirkt häufig disziplinierend. Billiger kann eine Kontrollinstanz für den Staat nicht sein. Wenn er sie nicht nutzt, wird er später von der EU-Kommission vor Gericht gezerrt. Bestätigt sich der Vorwurf, etwa gegen die europaweiten Richtlinien zum Tier- und Pflanzenschutz zu verstoßen, sind hohe Strafgelder fällig. Und das, wo die aberwitzigen Straßenprojekte eh chronisch unterfinanziert sind. HANNA GERSMANN