Verschwindet der Dispo?

Die EU-Kommission will Kredite erschweren. Banken befürchten höhere Beratungskosten

von HERMANNUS PFEIFFER

Deutschland in Not: „Brüssel will den Dispo beerdigen“, klagen Banken und Bild gemeinsam über einen Vorschlag, mit dem die EU-Kommission Verbraucher vor leichtsinnigen Schulden schützen will. Zukünftig sollen Kreditinstitute ihre Kunden vor der Darlehensvergabe ausführlich beraten. Zum Ärger des Bankenverbandes, denn „letztlich wird dadurch der beliebte Überziehungskredit beerdigt“.

Ist der Dispo damit am Ende? Nein, „Totgesagte leben bekanntlich länger“, beruhigt Andrea Hoffmann alle Schuldner im Lande. Die Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen verdächtigt stattdessen die Banken, ein Bedrohungsszenario öffentlichkeitswirksam „zu lancieren“, um einen unliebsamen EU-Vorschlag zu kippen. Die Richtlinie will nämlich keineswegs den auch in anderen Ländern populären Dispo beerdigen, sondern vor allem mehr Infos für Kreditnehmer erzwingen.

Die Zukunft könnte so aussehen, dass die Banken ihre Kunden ausführlich über Preise und Gefahren beraten müssen, bevor ein Rahmen von zwei oder drei Monatsgehältern als Dispositionskredit eingeräumt wird. Die tatsächliche Überziehung würde dann wie heute im Ermessen jedes Einzelnen liegen. Die Verbraucherzentralen halten diese Hürde beim Einrichten eines Dispos für sinnvoll, denn die leichte Art, Geld zu machen, verleitet vor allem Jugendliche häufig zum lockeren Einstieg in die Schuldenspirale. Immerhin gelten bis zu 10 Millionen Bundesbürger als überschuldet.

Der von der EU-Kommission angedrohte höhere Beratungsaufwand macht der Kreditwirtschaft berechtigte Sorgen, schließlich kostet zusätzliche Beratung viel Geld und senkt die Gewinnspanne. Zurzeit kostet ein Dispo im Schnitt satte 12,5 Prozent, während der normale Ratenkredit bis zu einem Drittel weniger einbringt. Bereits im September hatte Brüssel einen Entwurf angenommen, mit dem die Richtlinie über Verbraucherkredite aus dem Jahr 1987 modernisiert werden soll. Für alle Darlehen sollen die Regeln europaweit harmonisiert werden, Kunden ein Kündigungsrecht bekommen, Haustürgeschäfte verboten und Banken zur Beratung verpflichtet werden.

Der Bankenverband (BdB) hält den Entwurf für eine typische „Überregulierung“ Brüsseler Bürokraten. Stephan Steuer, stellvertretender Geschäftsführer des BdB: „Verbraucher müssen nicht vor sich selbst geschützt werden.“