„Die saufen völlig ab bei Inneres“

Entscheidungen des Ausländeramts sind anfechtbar. Doch dem Amt und der zuständigen Stelle beim Innensenator fehlt Personal. Vorgänge bleiben monatelang liegen. In der Warteschleife kreisen auch „falsche Libanesen“ und indische IT-Experten

Dreimal mahntedas Gericht,dreimal kam keine Antwort

Zwei Jahre ist es her, dass der Landesrechnungshof dem Innensenator Versagen bescheinigte: Die schlechte Organisation im Ausländeramt gehe zu Lasten der Steuerzahler. Solange beispielsweise Ausreisepflichtige nicht zügig abgeschoben würden, müsse vielfach Soziales zahlen. Viel scheint sich nicht geändert zu haben. Erfahrene Anwälte urteilen: „Die aktuelle Misere stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten.“

Im Ausländeramt seien die Personalnot beklemmend, die Bearbeitungszeiten enorm, MitarbeiterInnen telefonisch kaum zu erreichen – oder wenn, dann seien sie völlig überlastet. Die Misere zieht schon Kreise: Auch die übergeordnete Widerspruchsinstanz bei der Innenbehörde ist personell völlig ausgedünnt. Entscheidungen bleiben monatelang liegen. MitarbeiterInnen sollen Anwälten schon verzweifelt zu Untätigkeitsklagen geraten haben. Aber selbst deren Verläufe offenbaren nur das Ausmaß der Schieflage. Außerdem strapazieren sie das Verwaltungsgericht und obendrein die Finanzen – muss doch die unterlegene Innenbehörde jedes Mal rund 500 Euro Anwaltsgebühren zahlen.

Der jüngste Fall betrifft einen Togoer. Nach acht Jahren Deutschland wollte der Mann vom Ausländeramt eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erzwingen, um endlich eine zugesagte Arbeitstelle antreten zu können. 18 Monate wartete er vergeblich auf eine Behördenentscheidung, dann schritt Anwalt Günter Werner zur Untätigkeitsklage. Dreimal mahnte das Gericht die Widerspruchsstelle im Innenressort zur Stellungnahme. Dreimal kam keine Antwort. Schließlich erinnerte der Richter die Behörde an ihre Mitwirkungspflichten – und gab dem Togoer die Aufenthaltserlaubnis. Freuen kann der sich trotzdem nicht: Die Behörde will den Gerichtsentscheid nicht akzeptieren. „Jetzt drohen meinem Mandanten erneut enorme Wartezeiten“, fürchtet sein Anwalt.

Rechtsanwalt Jan Sührig kann seine Untätigkeitsklagen „schon nicht mehr zählen“. Faktisch sei ja die Widerspruchsstelle bei Inneres nicht besetzt – so dass selbst unstrittige Angelegenheiten lange lägen. „Auf Kosten der Mandanten.“ Sührig vertritt einen indischen IT-Experten, der nach der Pleite seines hiesigen Arbeitgebers nun mehrere andere Stellen in Aussicht hat – sobald die Arbeitserlaubnis umgeschrieben ist. Denn die Ursprungsgenehmigung für Geschäftsführertätigkeit trifft nicht mehr zu. Seit sechs Wochen wartet der hochqualifizierte IT-Mann nun schon. Die Deutsche Botschaft akquiriert aus Neu Delhi unterdessen weiter Nachwuchs – unter Verweis auf das „Sofortprogramm zur Deckung des Bedarfs an qualifizierten IT-Fachkräften“. Und auch die Veranstalter der hannoverschen HiTec Fachmesse Cebit werben um indische Fachleute.

In der Warteschleife hängen sogar die von CDU-Hardlinern lange aufs Korn genommenen „falschen Libanesen“. Zwar hatte das Ausländeramt die Ausweisung eines kurdischen Mandanten von Albert Timmer im „öffentlichen Interesse“ mit einem „sofort“-Stempel versehen. Das machte den Widerspruch des Betroffenen besonders dringlich, denn ohne Aufschub durch Einstweilige Verfügung wäre er sofort abgeschoben worden. Doch dann schaffte es das Innenressort auch nach dreimaliger Aufforderung nicht, dem Verwaltungsgericht innerhalb von drei Monaten eine Stellungnahme zu schicken. Der Kurde blieb in Bremen. Das „öffentliche Interesse“ könne so groß ja nicht sein, wertete das Gericht „das Prozessverhalten“ der beklagten Innenbehörde. Timmer bilanziert: „Die saufen völlig ab bei Inneres.“

Und doch: Sprechen Anwälte über solche Fälle, klingen sie fast mitleidig. Jeder erwähnt die Personalnot in der Verwaltung. Zudem habe es im Januar einen Todesfall in der ohnehin kleinen Abteilung gegeben. Trotzdem: Auch die Lage der Mandanten sei vielfach beschwerlich – die oft weit über ein Jahr auf Rechtsklarheit warten müssten.

Von „dünner Personaldecke“ spricht denn auch der Sprecher des Innenressorts. „Wir haben intern schon umbesetzt, erklärt er. Doch brauche man in dieser Abteilung Fachleute. „Und die wachsen nicht auf Bäumen.“

ede