Nicht viel Zeit zum Geldverdienen

Weil sie lieber studieren wollte, gab Sigrid Lang eine Erfolg versprechende Karriere als Skilangläuferin auf und wurde statt- dessen die erfolgreichste deutsche Wintertriathletin. Am Samstag gewann sie bei der Weltmeisterschaft in Oberstaufen Silber

von FRANK KETTERER

Manchmal denkt Sigrid Lang schon daran, dass alles auch ein klein wenig anders hätte kommen können, sie gibt das durchaus zu. Vielleicht wäre dann aus der 26-Jährigen ein richtiger Sportstar geworden, jemand, der dauernd im Fernsehen gezeigt wird, wenn er per Ski durch Loipen hastet, und dafür später auch noch bei diversen Fernsehgalas und Sportlerwahlen gefeiert wird. Die meisten, die dort zu sehen sind, kennt Sigrid Lang jedenfalls recht gut, mit nicht wenigen hat sie sich ja selbst schon im Wettkampf gemessen, damals, als Deutschland noch keine Nation der Biathleten und Ski-Langläufer war und sich entsprechend auch die Öffentlichkeit noch nicht so sehr darum geschert hat.

Deutsche Juniorenmeisterin im Ski-Langlauf war Sigrid Lang zu jener Zeit, zusammen mit Kati Wilhelm sogar Junioren-Vizeweltmeisterin mit der Staffel. Kati Wilhelm ist mittlerweile Biathlon-Olympiasiegerin – und mit ihren Pumuckl-roten Haaren längst ein berühmter Sportstar geworden. Sigrid Lang nicht. Dennoch klingt es ehrlich, wenn sie sagt: „Ich bereue nicht, dass ich es so gemacht habe, wie ich es gemacht habe.“ So wie, das heißt in ihrem Fall: sich gegen eine professionelle Sportlerlaufbahn bei Bundesgrenzschutz oder Bundeswehr zu entscheiden – und für die Uni. „Ich wollte auf jeden Fall studieren“, erzählt Lang, die Verantwortlichen im Deutschen Ski Verband (DSV) wollten Ersteres. „Das war das Ende vom Langlauf“, sagt Lang. Das war im Jahre 1997 und es klingt hart, aber wie gesagt: Sie hat ihre Entscheidung nicht bereut – und dann sogar beides hinbekommen: Universität und Sport. Das Lehramtsstudium in Sport und Deutsch in Freiburg hat sie mittlerweile abgeschlossen, und auch die während dieser Zeit gesammelten sportlichen Erfolge sind nicht von schlechten Eltern: Welt- und Europameisterin war Sigrid Lang schon – im Wintertriathlon. Am Samstag hat sie dieser Erfolgsgeschichte ein weiteres Kapitel hinzugefügt, auch wenn es nicht zum zweiten WM-Titel nach 2001 reichte. In Oberstaufen holte sie am Samstag die Silbermedaille hinter der Niederländerin Marianne Vlasfeld. Bei den Männern gewann Benjamin Sonntag aus Willinmgen den Titel. Auch die deutsche Staffeln siegten.

Das kann sich sehen lassen, auch wenn man von den Erfolgen der 26-jährigen Lang wenig bis gar nichts zu sehen bekommt, weder im Fernsehen noch in den Zeitungen, auch in Oberstaufen war das so. Die Kombination aus Laufen, Mountainbiken und Skilanglaufen ist im Interesse der Öffentlichkeit nun wirklich randigster Randsport, am hohen Einsatz, den jemand erbringen muss, um Weltspitze zu sein, ändert das nichts. „Um ganz vorne mitmischen zu können, muss man bis zu einem gewissen Maß Profi sein“, sagt Lang, sie selbst setzt seit letztem Jahr „ganz auf die Karte Wintertriathlon“.

„Ich will einfach mal schauen, ob ich mich durchschlagen kann und was dabei rauskommt“, sagt die 173 Zentimeter große und knapp 60 Kilo schwere Dreikämpferin. Auch in diesem Winter war’s schon wieder eine ganze Menge: Deutsche Meisterin wurde sie, zum fünften Mal in Folge, zudem gewann sie den Weltcupauftakt in Wildhaus, bei der EM wiederum sorgte erst ein Bremsdefekt dafür, dass sie ihren Titel nicht verteidigen konnte und es am Ende Rang zwei wurde – wie jetzt bei der WM hinter Marianne Vlasfeld, wo ausgerechnet ihre Spezialität den Stolperstein bildete. „Ich habe im Laufen viel verspielt“, sagte Lang im Ziel, fügte aber mit Blick auf die Niederländerin hinzu: „Es ist keine Schande, gegen sie zu verlieren.“

Leicht ist das Leben als Wintertriathletin freilich auch für eine Welt- und Vizeweltmeisterin nicht. Die Szene ist überschaubar – auf weltweit rund 300 Aktive schätzt sie Lang –, schon der Materialaufwand nicht eben gering und die Saison zum Geldverdienen doch recht kurz. Ihr Referendariat hat Sigrid Lang dennoch erst einmal zurückgestellt. Es hätte sich auch kaum mit ihrem Trainingspensum vertragen, das, wie immer, wenn etwas mit Triathlon zu tun hat, beachtlich ist: „Vier bis fünf Stunden am Tag sind es auf jeden Fall“, erzählt Lang aus ihrem Alltag, der also ziemlich voll gefüllt ist mit Laufen, Mountainbiken und Skilanglaufen, so voll jedenfalls wie bei keiner anderen deutschen Wintertriathletin. „ Selbst in der Nationalmannschaft ist für manche eher der Sommer der Höhepunkt“, verrät Lang; manche ihrer Mannschaftskameradinnen starten auf Rennrad oder Mountainbike in der Bundesliga oder sind bei Bergläufen aktiv, der Dreikampf im Winter dient eher zur Überbrückung. „Die meisten machen das nur nebenbei.“

Sie hat Verständnis dafür, dass in der Deutschen Triathlon Union (DTU) nur sie das Wagnis mit dem Profitum im Wintertriathlon einzugehen bereit ist, leichter macht es ihr dieses Einzelkämpfertum nicht. „Im deutschen Verband fehlt es einfach an Wintersport-Know-how“, sagt Lang, was mehr eine Feststellung sein soll als allzu harsche Kritik – und wohl auch nicht viel anders sein kann in einem Verband, der sich deutlich dem Sommer verpflichtet fühlt, also Olympia und Ironman. Zwar gibt es mit Günter Pauli einen DTU-Wintersport-Beauftragten, doch der ist auch nur ehrenamtlich tätig, professionelle Strukturen fehlen so gut wie ganz. „Die aber braucht es, um nach vorne zu kommen“, weiß Lang. Kein Wunder, dass sie mit ihren Forderungen nach mehr Professionalität bisweilen aneckt. Zumal auch im Winter längst die Maxime aus dem Sommer gilt: in allen drei Disziplinen gut zu sein – „und in einer super“. Sigrid Lang kommt da durchaus entgegen, dass sie in ihrem früheren Sportlerleben schon mit Kati Wilhelm, dem Sportstar, durch Loipen gehastet ist.