Bilderstarke Inszenierung

Rundum geglückt: Frech und unverkrampft bringt Karoline Gruber Claudio Monteverdis „L‘Incoronazione di Poppea“ auf die Bühne der Staatsoper

von REINALD HANKE

Nun hat es Hamburgs Oper endlich wieder einmal geschafft, eine rundum geglückte Produktion herauszubringen, die nicht vom Erfolgsteam Ingo Metzmacher/Peter Konwitschny geleitet wurde. Das gelang kaum in den vergangenen Jahren, denn die Verantwortlichen hatten selten Glück, weder mit bekannten noch mit weniger bekannten Inszenatoren: Immer wieder war das Niveau der neben Konwitschny engagierten Regisseure – Flimm, Preston, Richter – eher peinlich als ansehnlich.

Jetzt, bei Claudio Monteverdis Krönung der Poppea hat sich die Ausdauer bei der Suche nach neuen, innovativen Regiekräften ausgezahlt. Mit Karoline Gruber wurde eine Persönlichkeit gefunden, die nicht nur ihr Handwerk vorzüglich beherrscht, sondern ebenso Genauigkeit im Interpretieren der Vorlage mit Kreativität und Intelligenz verbindet. Mit Hermann Feuchter hat sie sich dazu noch einen für ihre Vorstellungen idealen Bühnenbildner mitgebracht, der eigenständige, außerordentlich wirkungsstarke und originelle Bühnenlösungen gefunden hat.

Die auf historischen Tatsachen beruhende Geschichte um den römischen Kaiser Nero und dessen Geliebte und spätere Frau Poppea bringt Gruber frech und unverkrampft auf die Bühne. Brillant zeigt die Regisseurin auf, wie diese beiden Gestalten so selbstsüchtig wie lüstern, so skrupellos wie machtgeil über Leichen gehen, um ihre fragwürdigen Ziele zu erreichen. Und sie zeigt, dass dies heute noch aktuell ist: Kurzerhand wird das Geschehen in eine angeblich fun- und eventsüchtige Gegenwart verlegt, aber nie kommt der Verdacht auf, dies geschehe aus oberflächlichen, effektsüchtigen Gründen.

Alle Figuren werden in facettenreicher Glaubwürdigkeit dargestellt, nie kommt eine plumpe szenische Schwarz-Weiß-Zeichnung dabei heraus. Neros (Jacek Laszczkowski) Gefühle für Poppea etwa erscheinen im Schlussduett so wahrhaftig, dass selbst diese eigentlich ja böse Figur für den Moment zu einem Sympathieträger wird. Und Poppea (Elzbieta Szmytka) wird in der szenischen Darstellung so positiv gezeichnet, dass kaum vorstellbar ist, welch fragwürdiger Charakter sich hinter dieser Fassade verbirgt. Die Doppelbödigkeit dieser Figur wird aber spätestens in der vorletzten Szene klar, wenn Poppea, inzwischen Königin, ihre neuen Untertanen wie Hunde Rosen statt Stöckchen apportieren lässt. Das ist so bilderstark wie die Aufführung als Ganze.

Hermann Feuchter hat das Portal mit Pappe zukleben lassen, darauf ein Herz und das Wörtchen Amor in Sprühfarbe. Wie herabgelaufenes, eingetrocknetes Blut als Symbol für die blutrünstigen Zeiten ist Rot in großen Flecken auf den Pappwänden verteilt. Wenn diese hochgezogen werden, ist der Blick frei auf immer wieder neu gestaltete Räume einer modernen, selbstverwirklichungsgeprägten Lebenskultur. Die will originell sein, entlarvt sich aber in ihrer ungewollten, die eigene Eitelkeit preisgebenden Lächerlichkeit selbst. Und niemand kommt angesichts dieser starken Inszenierung auf die Idee, dass es heutzutage um die Sitten besser bestellt sein könnte als zu den gezeigten Zeiten Neros und Poppeas.

Durchweg vorzügliche Sängerinnen und Sänger sowie eine abwechslungsreiche und inspirierte musikalische Bearbeitung von Monteverdis musikalischem Rohmanuskript durch den souverän und temperamentvoll agierenden Dirigenten Alessandro de Marchi ließen den Abend zu einem musiktheatralischen Ereignis der besonderen Art werden. Da stellt sich höchstens die Frage, warum Monteverdis nicht instrumentiertes Notenmaterial nicht in eine zeitgemäßere Instrumentation mit allen heutigen Möglichkeiten übertragen wurde. Dann nämlich könnte die immer wieder totgesagte Gattung Oper vielleicht sogar bei einem jüngeren Publikum Begeisterung entfachen. Dieser Aufführung wäre es zu wünschen.

weitere Vorstellungen: morgen, 26. und 28.2., 2. und 4.3., jeweils 19 Uhr, Staatsoper