„Den Milchbauern droht eine Katastrophe“

Landwirte und Molkereien müssen das Angebot an Milch knapp halten. Sonst werden die Preise so tief stürzen, dass auch große Höfe in den Ruin getrieben werden, sagt der baden-württembergische Bauer Martin Kugler

MARTIN KUGLER, 45, ist Vorstand im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Er hat 45 Kühe.

taz: Herr Kugler, Lieferstreik, ein Milchgipfel und unzählige Demonstrationen – das ganze Jahr über haben Sie für höhere Milchpreise gekämpft. Was hat es gebracht?

Martin Kugler: Durch den Lieferboykott haben wir uns über den Sommer gerettet, doch seine Wirkung am Markt lässt nach. Die Agrarminister müssen unsere Forderungen vom Milchgipfel umsetzen, sonst erleben wir eine Katastrophe. Die Milchindustrie droht uns mit Preisen von unter 26 Cent. Das wäre ein historischer Tiefstand, und das bei steigenden Kosten für Futter und Energie. Derart niedrige Preise verkraftet kein Betrieb, egal wie groß er ist.

Wer ist schuld? Der geizige Verbraucher, der gierige Handel oder die Bauern, die zu viel produzieren?

In erster Linie müssen Bauern und Molkereien ihre Hausaufgaben machen und sich ihren Absatzchancen anpassen. Wir müssen die Milchquoten erhalten und dürfen sie nicht erhöhen. Opel setzt die Produktion aus, wenn der Konzern glaubt, die Autos nicht verkaufen zu können.

Opel braucht dazu aber keine Quote …

Wir haben in Deutschland 100.000 Milchbauern. Da sind gemeinsame Verhaltensregeln nötig, es reicht nicht, wenn die Hälfte vernünftig reagiert, die andere Hälfte aber nicht.

Der Deutsche Bauernverband will größere Molkereien schaffen, damit sie mehr Marktmacht gegenüber dem Einzelhandel haben – und höhere Preise aushandeln können. Ist das eine Lösung?

Nein. Gerade mittelständische Molkereien konnten die besten Preise für die Bauern erwirtschaften. Wir haben nichts dagegen, dass kleinere Molkereien fusionieren, wenn sie das wollen. Aber man darf es ihnen nicht verordnen.

Und was halten Sie von einer weiteren Idee des Bauernverbandes, der Idee eines europäischen Milchfonds, der den Bauern den Gewinn aufstockt?

Sollen wir demnächst auf der Straße für staatliche Almosen demonstrieren? Der Fonds kann nur Bauern in extrem benachteiligten Gebieten helfen, wie dem Schwarzwald oder den Alpen. Dort wird man nie kostendeckend arbeiten können. Den größten Teil der Milcherzeugung müssen wir über den Markt finanzieren.

Sie glauben, das geht nur mit Milchquoten, doch die sind in der EU nicht mehrheitsfähig. Warum halten Sie trotzdem daran fest?

Es ist überhaupt nicht sicher, ob die Quote ausläuft. Diejenigen, die sie abschaffen wollen, fordern im gleichen Atemzug eine andere Mengensteuerung. Wir befürchten, dass eine Molkereiquote kommt. Dann legen die Molkereien fest, wie viel wir produzieren dürfen, und wir haben wieder das Nachsehen.

INTERVIEW:
HEIKE HOLDINGHAUSEN