In der Opposition regieren die Youngster

Die Hessen-SPD kämpft mit neuem Personal gegen den alten Gegner Roland Koch. Der Fraktionsvorsitzende Jürgen Walter ist 34 – und streitet im Landtag vereint mit dem zwei Jahre jüngeren Fraktionschef der Grünen, Tarek Al-Wazir

WIESBADEN taz ■ Jetzt also sollen es die Jungen richten. Nach der historischen Niederlage der hessischen SPD bei den Landtagswahlen am 2. Februar lässt zwar die programmatische Erneuerung auf sich warten, doch die personelle ist vollzogen. Nach dem Rücktritt des 57-jährigen Gerhard Bökel kürte der Landesvorstand überraschend schnell die 45-jährige Andrea Ypsilanti zur Kandidatin für den Parteivorsitz. Vor allem aber wählte die Fraktion im Landtag den erst 34 Jahre alten Rechtsanwalt Jürgen Walter zu ihrem Vorsitzenden.

Die Wahl von Walter wurde in Wiesbaden als „Sensation“ gewertet – der junge Mann hatte in einer Kampfabstimmung überraschend deutlich den Vorsitzenden des Landesbezirks Hessen-Nord, Manfred Schaub, aus dem Rennen geworfen. Der 45-Jährige ist derzeit parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion und gestandener Landespolitiker. Überdies hatte er einen von nur noch zwei Landtagswahlkreisen für die SPD direkt gewonnen, die landesweit auf 29,1 Prozent abgestürzt war.

Diplomsoziologin Ypsilanti, die bislang in der Landespolitik eine eher untergeordnete Rolle spielte, muss auf einem Sonderparteitag im März noch gewählt werden. Doch einen Gegenkandidaten wird es wohl nicht geben. Dabei ist die gelernte Jugendpolitikerin nur zweite Wahl. Eigentlich sollte der Offenbacher Oberbürgermeister Gerhard Grandke die Partei aus dem Tal der Tränen führen. Ihm war es in nur wenigen Jahren gelungen, die völlig verarmte und heruntergewirtschaftete Stadt mit harter Hand und pfiffigen Ideen (fast) vollständig zu sanieren. Doch Grandke winkte – erneut – ab. Er hatte bereits vor vier Jahren einmal auf den Posten verzichtet. Der Flughafenausbaugegner erachtete seine Position damals als „nicht kompatibel“ mit der Position der Parteiführung. Aktuell verwies Grandke süffisant darauf, dass sich an seiner Haltung in der Frage des Baus einer neuen Landebahn am Flughafen nichts geändert habe. Und dass er als OB von Offenbach noch viel Arbeit zu erledigen habe.

In der Partei sorgte er damit zunächst für viel Ärger. Ob man vor dem „Herrn Grandke“ wohl erst auf den Knien herumrutschen müsse, ehe der sich herablasse, ein Parteiamt anzunehmen, wollten Kritiker aus den Reihen der Fraktion wissen. Andere warfen dem ewigen Hoffnungsträger aus Offenbach gar „Feigheit vor dem Feinde“ vor.

Der erweiterte Landesvorstand nominierte schließlich Ypsilanti, ließ aber Grandke eine Hintertür offen – für eine Bewerbung um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2008. „Reine Spekulation“ sei das, sagte Grandke dazu. Seinen Vorschlag jedenfalls, die beiden Landesbezirke der Partei aufzulösen und einen einzigen, „schlagkräftigen“ Landesverband zu gründen, haben Ypsilanti und ihre drei Mitstreiter Walter, Schaub und Gernot Grumbach, der Parteichef Hessen-Süd, erst einmal abgelehnt.

Jürgen Walter, dessen Wahl zum Fraktionschef vor allem von den Jungsozialisten euphorisch als „Generationswechsel“ gefeiert wurde, wirkt nach außen eher cool. Der eloquente Lockenkopf nervte im „Untersuchungsausschuss CDU-Schwarzgeld“ erfolgreich die Riege um Ministerpräsident Roland Koch mit bohrenden Fragen.

In der ersten Reihe der Oppositionsfraktionen ist Walter trotzdem nicht der Jüngste. Tarek Al-Wazir, der Grünen-Chef im Landtag, ist 32. Nur die Regierungsfraktion reaktivierte einen Senior: CDU-Fraktionschef soll Franz Josef Jung werden, den Koch im Zuge der Schwarzgeldaffäre als Staatskanzleichef entlassen mußte. Er ist 54. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT