Chemieindustrie hat nichts zu lachen

Comic will Image der EU-Parlamentarier bessern: Superfrau kämpft für die Umwelt. Einstampfen, fordert Chemielobby

BERLIN taz ■ Sie trotzt Morddrohungen, nimmt es mit den Big Bosses der Industrie auf. Sie ist so etwas wie die neue Lara Croft aus Straßburg und Europaabgeordnete: Irina heißt die Heldin in dem Comic „Troubled Waters“, den das Europäische Parlament herausgegeben hat – und der ganz real für Ärger sorgt.

Dabei hatten sich die PR-Strategen in Straßburg alles so schön ausgedacht. Die bezaubernde Brünette macht Schluss mit dem Bild vom gesetzten EU-Bürokraten im grauen Anzug. Sie wälzt nicht große Aktenberge, verbringt ihre Zeit nicht mit zähen Diskussionen in vielen kleinen Gremien. Nein, Irina ist in einen handfesten Skandal der Chemieindustrie verwickelt. „Spannung sollte her, damit sich auch junge Leute für Europa und die Arbeit im Parlament interessieren“, so David Harley, Pressesprecher des EU-Parlaments.

Die Comicmacher hatten nicht damit gerechnet, dass nicht nur ihre fiktive Irina, sondern sie selbst von den Lobbyisten in die Zange genommen werden. Unmöglich sei das mafiöse Bild, das von ihrer Branche gezeichnet werde, empört sich die Europäische Chemieindustrie. Alain Perroy, der als Chef des europäischen Verbandes Cefic 40.000 Chemiefirmen vertritt, schrieb an den Präsidenten des EU-Parlaments Pat Cox: „Wir sind geschockt.“ Die vereinfachte Darstellung schädige das Image. „Stoppt den Comic“, so sein Appell. Pat Cox aber denkt gar nicht daran: „Wer die Geschichte liest, einen Comic zumal, weiß, dass die Abenteuer fiktiv sind.“

Cox ist selbst Teil der Geschichte, leitet die Sitzungen im Parlament, in denen Irina flammende Reden für den Schutz des Trinkwassers hält. Selbst als sie ein Paket erhält, indem sich eine Patrone befindet, hört sie nicht auf, sondern kommt einem Chemiekonzern auf die Schliche, der seinen Konkurrenten erledigen will, indem er ihm einen Umweltskandal anhängt. Die Story, die auch mancher EU-Parlamentarier mehr absurd als real findet, ist bereits 120.000-mal auf Englisch und Französisch gedruckt. Zurzeit wird er in die anderen EU-Sprachen übersetzt.

Der Einwand der Chemiebosse hinterlässt eine Spur: Auf einem beigelegten Extrablatt steht: „Obwohl es sich bei den in der Geschichte erzählten Abenteuern um reine Fiktion handelt, spiegeln die beschriebenen Verfahren in vollem Umfang die Realität wider.“ HANNA GERSMANN