Zurück aus dem schwarzen Loch

Versöhnliche Roots-Rocker: „The Wallflowers“ geht es offenbar gut, auch wenn sie schon in größeren Hallen spielen durften

von VOLKER PESCHEL

„Ich möchte bei dem neunten Lied vom Album mitspielen“, sagte Bruce Springsteen zu der Band, als er sie vor einem Konzert besuchte, „das gefällt mir am besten!“ Ein großer Moment für die Wallflowers, berichtet deren Sänger und Gitarrist Jakob Dylan noch heute in Interviews: der Boss ein Fan. Sie hatten es also geschafft und gehörten Mitte der Neunziger zu den Bands der Stunde, zu jenen klassischen Gitarren-Rockern, die sich in der Zeit, als der Grunge hirn- oder ganz tot war, tummelten. Beim gigantischen Woodstock-Revival 1999 treten die Wallflowers vor 250.000 Zuschauern auf.

In Jakobs Geburtsjahr 1969 wurde an diesem Ort sein Vater, ein Singer/Songwriter namens Bob Dylan, als Messias des Rock‘n‘Roll gefeiert. Er war mit dem Model Sara Lowndes verheiratet, vier Söhne hatten sie zusammen, dazu eine Tochter aus Saras alter Beziehung. Jakob war der Jüngste, bekam eingeredet, sie seien keine Celebrities und alles ganz normal. Die Ehe ging in die Brüche, die Kinder wuchsen in L.A. bei Sara auf, in einem Haus, in dem „Instrumente wie Einrichtungs-Gegenstände“ waren, wie Jakob es beschreibt. Nach einem The Clash-Konzert griff er als 12-Jähriger wie angefixt zur Gitarre, schlug sich als mittelmäßiger Schüler an einer Privatschule in Beverly Hills durch und ging mit 19 nach New York, um an einer Designschule zu studieren. Nach einigen Tagen merkte er, dass ihn das nicht interessierte, genoss noch ein wenig die Zeit in Greenwich Village, um dann nach L.A. zurückzukehren und eine eigene Band zusammenzutrommeln.

„Der Sohn von“ erregte natürlich Aufmerksamkeit, doch Plattenriese Virgin ließ Dylans Wallflowers nach einem etwas halbherzigen Debüt fallen. Vier Jahre später, 1996, erschien Bringing Down The Horse und verkaufte sich allein in den Vereinigten Staaten vier Millionen Mal. The Wallflowers waren mit ihrem gut geschriebenen Roots-Rock auf der Höhe der Zeit, als College-Rocker wie die Counting Crows rotierten und Sheryl Crow eine große Nummer war. Regisseur David Fincher (Fight Club) drehte einen Clip, die Rolling Stones wollten sie als Vorgruppe, und zwei Grammy Awards nahmen sie auch noch mit.

Vier Jahre Zeit ließen sie sich für ein neues Album. Als es erschien, hatte der Mid-Tempo-Gitarren-Rock seine hippe Aura abgelegt, und so fiel Breach ins schwarze Loch des Publikumsinteresses. Kein MTV, keine Titelbilder. Eine Enttäuschung. Mit Red Letter Days haben sie nun seit ein paar Monaten einen weiteren Longplayer draußen, wohlwissend, dass die Musik, die sie um schwelgerische Melodien bereichert haben, immer noch nicht so recht en vogue ist. Das allerdings scheint The Wallflowers nicht mehr zu stören: Versöhnlich geht die Band es an, hat sich offenbar auf ihre Stärken besonnen: Ohrwurmrefrains, hymnische Melodien und großzügige Gitarren, unterstützt von Mike McReady (Pearl Jam), der eine gute Vorstellung davon haben dürfte, wie es sich anfühlt, wenn die eigene Band unsexy wird.

Textlich kreist Dylan um die Unbill des schnellen Ruhms, den er angeblich nie wollte – ihn dann aber auch noch zu verlieren, muss wohl schmerzen. „I‘m not looking for a warm embrace, I‘m not looking for a friendly face. On the way down is when I found out I‘ve got everything I need“, singt er. Oder: „It‘s too late to quit, too soon to go home“ – das könnte auch als Bandmotto hinten am Tourbus stehen.

Während ausgedehnter Konzertreisen sind die meisten Songs auf Red Letter Days entstanden. In Garderoben, Toiletten oder Ladehangars von Stadien wurden Demos eingespielt, „sogar unter der Dusche hatten wir Mikrofone installiert“, so Jakob Dylan. Dort scheint auch die Erkenntnis gewachsen zu sein, dass es der Band gut geht. „Ich muss mir keine Gesichtshaare wachsen lassen, um mehr Platten zu verkaufen“, erzählte der inzwischen dreifache Vater einmal trotzig auf MTV. Und beschloss, vor allem positiv gestimmte Texte zu schreiben, im Glauben daran, dass es mit der Welt schon gut weitergehen werde. Diese Texte singt er dann mit einer Stimme so rauh, dass sie weniger an den 33-jährigen Beau mit blauen Strahleaugen erinnert – sondern vielmehr an seinen Übervater.

mit Peter Stuart: Freitag, 21 Uhr, Markthalle