Wehrhaftes Entblößungsverhalten

Auf eigenen Erfahrungen basierende Reflexion der Rolle der Künstlerin in der Leistungsgesellschaft: Das Kollektiv „She She Pop“ gastiert mit seiner Game-Show Performance „Live!“ im Neuen Cinema. Und das Publikum gestaltet mit

„Diesmal ziehen wir uns gleich zu Anfang aus. Hier schaut, wir sehen alle unterschiedlich aus. Und fertig. Das finden wir sehr praktisch“, betont Lisa Lucassen vom Performance Kollektiv She She Pop. Seit zehn Jahren lassen die Frauen in jeder Show ihre Hüllen fallen. „Eine wehrhafte Geste“, so Ilia Papatheodorou.

Gleich zu Beginn ihrer Laufbahn haben sie nämlich festgestellt, dass „es ganz egal war, was wir gesagt haben, die Leute haben uns nach unserem Aussehen beurteilt: Die ist am schönsten, die tanzt am besten. Seitdem macht She She Pop Voyeurismus zu ihrem Konzept. Live!, die jetzt im Neuen Cinema präsentierte Show, offenbart weibliche Selbstdarstellungstechniken, die im Alltag meist unbemerkt ablaufen: Ob im Büro, im Bewerbungsgespräch. Ob als Künstlerin, auf oder hinter der Bühne, Frauen tragen ihre Haut zu Markte, meinen die She She Pops. Live! läuft ab wie eine Game-Show. Die Künstlerinnen stellen sich dar, in drei Kategorien: 1. Aussehen und Bewegen, 2. Sprechen und Überzeugen. In der dritten Kategorie – Alltag und Methode – geht es um die gesellschaftlichen Anforderungen an die heutige Frau und Künstlerin.

Eine Aufgabe besteht beispielsweise darin, aus einem Altkleidersack ein gelungenes Outfit zusammenzustellen. Das Publikum stimmt über die Rundensiegerin ab. Das, so weiß She She Poplerin Mieke Matzke, kann beim Publikum einiges auslösen. „Für Frauen bietet dieser Moment der Konkurrenzsituation eine andere Identifikationsmöglichkeit als für Männer. Viele sagen erst: Ich stimm‘ da nicht mit ab. Dann machen sie es aber doch.“

Live! entstand bereits Ende der neunziger Jahre, also bevor der Fernsehzuschauer als „Big Brother“ in den Wohncontainer lugte und Deutschland nach dem Superstar suchte. Das Phänomen Küblböck lag aber schon damals in der Luft, findet Matzke. „Dass es diese Formate aber inzwischen gibt, während wir unser Stück immer noch erfolgreich spielen, zeigt schon eine bestimmte Verbindung, die dazwischen besteht. Dass in unserer Gesellschaft Selbstdarstellungsstrategien immer wichtiger werden. Wir machen das auch, aber mit ironischem Bruch.“

Bei She She Pop lauert kein Herrscher-Bohlen im Hintergrund. Das Kollektiv arbeitet demokratisch. „Wir kriegen oft vorgeworfen: Wie kann man im Kollektiv sein? In der Kunst muss es doch ein autoritäres Prinzip geben,“ erzählt Papatheodorou. „Das geht uns ab.“ Die Idee für ein neues Stück entwickelt sich bei She She Pop aus der Reflektion eigener Erfahrungen. Wie in Live! die Frage nach der Rolle der Künstlerin in der Leistungsgesellschaft. „Außerdem suchen wir die Interaktion mit dem Publikum. Es bestimmtden Verlauf des Stückes mit“, so Matzke.

Katrin Jäger

She She Pop: Live!, Freitag, 21. bis Sonntag, 23. Februar, 20 Uhr, Neues Cinema